Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
aufs Neue gedeihen konnten. Den Tod liebte ich nie – nur das, was sie daraus erschuf. Heute jedoch weiß ich nicht mehr, was sie liebt oder ob sie dazu überhaupt noch fähig ist. Sie hat den … Blick auf die Dinge verloren. Darum gab ich ihr meine Augen. Doch es hat nichts geändert.«
Einen Moment schwieg Sarik betroffen.
»Was ist ihr denn widerfahren?«
»Wir waren dabei«, sagte Cenaldi. »Als der zweimal Geborene ein zweites Mal starb. Ycille verschmolz ihre Seele mit seiner.«
»Ihr wolltet seine Macht?«, fragte Sarik fassungslos. Der Versuch, die Seele eines anderen Mächtigen in sich aufzunehmen, war ein schweres Verbrechen.
»Was wäre es denn für eine Verschwendung, einen Gott zu töten und seine Kraft einfach versiegen zu lassen?«, erwiderte Cenaldi. »Wir wollten ihm dieselbe Ehre erweisen wie jeder anderen Seele. Doch seine Macht war zu groß. Sie konnte sie nicht beherrschen.«
»Das heißt, als Neseja zerbrach und sich über die Welt zerstreute …«
»… zerbrach auch Ycille«, schloss Cenaldi.
Sie hatten die Insel erreicht, und er holte die Riemen ein und wartete, bis das Boot ruhig am Ufer lag, machte aber keine Anstalten, sich zu erheben. »Ich betrete ihre Insel nur noch selten. Du musst vorsichtig sein, wenn du dich ihr näherst.«
Sarik sah nach dem Irrlicht, das in großem Abstand über dem Wasser schwebte, seine Spiegelung unter sich, und spürte einen Hauch von Trauer, und Zuversicht. »Vielleicht kann ich ihr helfen«, sagte er. »So, wie sie mir.«
»Das würde sie glücklich machen«, sagte Cenaldi. »Mehr als alles andere. Und das Glück meiner Herrin ist auch meines. Sag, Sarik: Bist du je geliebt worden? Und hast du jemals geliebt?«
Sarik warf einen langen Blick in das Dornendickicht, das ihn erwartete.
»Ja«, antwortete er. »Ich habe es nur nie erkannt.«
Als er wieder zu sich kommt, ist Zeona da. Er liegt auf dem Rücken, sie beugt sich über ihn, ihre Hände streichen sanft über seine Stirn. Zeona pflegt ihn gesund.
»Zearis«, flüstert er.
»Ich weiß, Isikara. Du hast gesprochen im Schlaf.« Er blickt auf, in die braunen Augen unter dem Gewölk schwarzen Haars, und fragt sich, wie viel sie weiß.
»Ich habe versucht, ihn zu retten …«
»Du hast seinen Körper gerettet«, sagt sie, und Tränen schimmern in ihren Augen. »Aber sein Geist ist noch immer irgendwo dort draußen.«
Sie lässt die Hände sinken und legt sie in den Schoß.
»Ich habe meinen Bruder verloren – aber dich habe ich wiederbekommen.«
»Hasst du mich denn nicht dafür?«
»Ich hasse uns alle. Dafür, dass wir aufgehört haben, zu lieben, und nur noch dem Locken immer neuer, größerer Macht folgen. Zearis liebte schon lange nicht mehr, weil er glaubte, dass es nur Schmerzen bringt – ihm und denen, die ihm teuer sind.«
Sarik will etwas erwidern, doch sie beginnt zu weinen, und es bricht nur so aus ihr heraus.
»Er hat es nie verstanden«, sagt sie. »Wir wurden geboren aus denselben Fehlern und waren nie bestimmt für dieses Leben. Ich wusste, eines Tages wird es ihn verschlingen.«
Und sie erzählt ihm die Geschichte von Iladas, dem Phereniden, und dem Fall der Eolyn Lyora.
»Das sind wir«, sagt sie – »die Kinder von Hochmut und feigem Verrat. Er hat immer mehr darunter gelitten als ich. Du weißt wahrscheinlich, was im Sommerland passiert ist. Ich hatte es leichter. Ich musste mich nie beweisen wie er … Auch wenn Korianthe wahrscheinlich gewollt hätte, dass ich Teil ihres Ordens werde. Wir haben nirgendwo je dazugehört.«
Sarik ist lange still, und sie sitzt reglos an seiner Seite und hält seine Hand.
»Was ist mit dir?«, fragt er schließlich. »Und mir? Wird es auch uns verschlingen?«
Sie schüttelt den Kopf, doch da ist keine Zuversicht in ihrem Blick – nur Trauer.
»Siehst du denn nicht die Zukunft, Zeona?«
»Ich sehe keine Zukunft, die ihren Namen verdient hätte«, sagt sie. »Für keinen für uns.«
»Und wenn wir uns ändern? Es ist nie zu spät, umzukehren.«
Sie gibt keine Antwort. Doch zwischen dem Schmerz und den Zweifeln findet er seine Antwort in ihrem Lächeln.
Sobald Sarik wieder genesen ist, wünscht die Herrin des Ordens ihn zu sehen.
Korianthe wirkt älter als bei ihrem letzten Treffen, auch wenn Sarik weiß, dass das kaum möglich ist; Korianthe altert ebenso wenig wie Nerian oder Borchiak oder die anderen Mächtigen.
»Sarik«, sagt sie. »Was ist nur geschehen?«
Und er sieht ihr an, dass sie nicht nur die Geschehnisse
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