Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
nicht«, sagte Janner. »Glaub mir. Ich bin drüben aufgewachsen.«
Toska studierte ihn aufmerksam. »Hast du denn keine Zweifel? Dass es sich lohnt, was du tust, meine ich?«
»Es lohnt sich, solange das Volk auf unserer Seite steht«, sagte Janner. »Solange sie uns unterstützen, mache ich weiter.«
Der kleine Mann hielt Janner grinsend die Hand hin, und er schlug ein und sie klopften sich auf die Schulter.
»Gibt es sonst noch was?«
Toska strich sich durchs schüttere Haar. »Odwyn macht mir etwas Sorgen. Jeder hält ihn für einen netten Kerl, ich glaube aber, er trinkt zu viel, auch wenn ich ihn noch nicht dabei erwischt habe. Gestern saß er wieder den ganzen Tag herum und hat vor sich hin gestarrt.«
Janner zuckte die Achseln. »Er wäre nicht der Erste. Solange wir im Kampf auf ihn zählen können …«
»Ich setze Leuten ja nicht gern einen Floh ins Ohr«, sagte Toska. »Aber mir kam es so vor, als ob er deine Frau angestarrt hat.«
»Auch da wäre er nicht der Erste«, wehrte er ab, aber seine Hände verkrampften sich einen Moment. Dann nickte er. »Danke. Was noch?«
»Niesel und Farnstein waren wieder in Holferton unterwegs. Sie haben sich mit ein paar Mädchen und mehreren Flaschen Wein vergnügt und sind dann verduftet, ohne zu zahlen. Sannah hat es beim Einkaufen gehört.«
»Ich rede mal ein Wörtchen mit den beiden«, sagte Janner. »Wenn wir so weitermachen, kann sich bald niemand von uns mehr irgendwo blicken lassen.«
»Streich ihnen auf jeden Fall was vom Anteil und gib es dem Wirt.«
»Ist schon geschehen«, sagte Toska.
»War das alles?«
Toska zögerte, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Komm am besten mal mit.«
Er führte Janner tiefer in den Wald. Sie passierten zwei ihrer Wachtposten und den Bach, der um ihr Lager floss, und standen schließlich in einem dichten Lorbeergehölz. Vor ihnen lag ein ausgeweideter Kadaver, umgeben von Fell- und Knochenfetzen.
Janner kauerte sich hin, nahm einen Stock und untersuchte das Tier. »Das ist ein Wolf, richtig? Oder was davon übrig ist.«
Toska nickte. »Es ist nicht das erste Mal, dass wir einen Kadaver in der Nähe des Lagers finden. Hasen, manchmal ein Marder, ich hab mir nicht viel dabei gedacht. Aber ein Wolf, so nah am Lager, und in dem Zustand? Was reißt denn bitte einen Wolf?«
»Was immer es war, es hatte keinen großen Hunger«, stellte Janner fest. Angewidert stocherte er in dem Kadaver herum. »Aber das Blut fehlt. Es ist kaum noch Blut da.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen.«
»Was stellt so was an und kommt ungeschoren davon, ohne dass das Rudel es zur Strecke bringt?«, überlegte Janner. »Und wo wir vom Davonkommen sprechen …« Er stand auf und bedeutete Toska, beiseite zu treten. Dann sah er sich den Boden um den Kadaver herum an. »Viel ist da nicht«, murmelte er. »Hier sind nur ein paar Wolfsspuren …« Er ging vorsichtig ein paar Schritte weiter und verharrte an einer Stelle, wo der Boden weicher und frei von Moosen war.
»Was hast du gefunden?«, fragte Toska, und Janner winkte ihn herbei.
»Wir sind nicht die Ersten, die hier waren.«
Toska trat neben ihn und studierte die Spuren. »Ich frage mich ja, weshalb er keine Schuhe anhatte.«
»Und weshalb die Spuren nur wegführen«, fügte Janner hinzu.
Sie sahen sich lange an.
»Wir verstärken die Wachen«, sagte Janner. »Wenn jemand nach dem Grund fragt, sind die neuen Steckbriefe und unsere beiden Zechpreller dran schuld. Am besten lässt du sie gleich heute Abend antanzen, zusammen mit Odwyn. Das wird sie beschäftigen. Alle Ausflüge sind bis zum Einsatz gestrichen. Niemand verlässt das Lager mehr ohne unsere Erlaubnis. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, sind verängstigte Männer und noch mehr Probleme.«
»Vielleicht sollten wir früher als geplant ins Ausweichlager wechseln.«
Janner zögerte. »Gut, wir ändern den Plan. Morgen ziehen wirum. Die, die nichts zu tun haben, können schon mal mit Packen anfangen. Und wenn dir jemand dumm kommt, schickst du ihn zu mir.«
Toska nickte erleichtert. »Du machst dich gut.«
»Findest du?«
»Die Männer lieben dich.«
»Dann mach ich was falsch«, grinste Janner, und sie gingen zurück.
Als er wiederkam, saß April mit einer Tasse Ingwertee vor ihrem Zelt. Die Augustsonne wärmte die Lichtung und glänzte in ihrem zerzausten, strohblonden Haar. Sie trug ihr einfaches Leinenkleid und, da war sich Janner ziemlich sicher, nichts darunter. Sie war drahtiger geworden,
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