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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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Schwert hin. »Jetzt du«, sagte sie.
    Er sah sie fragend an, doch sie nickte ihm zu, und er trat näher und schloss zögernd die Hand um das Heft. April aber hielt Schneeklinge noch mit zwei Fingern am Korb, sodass die anderen es nicht sahen, und zog mit der Linken die Scheide ab.
    Dann ließ sie los. Einen Moment hielt Janner ihr Schwert in der Hand. Es war ein seltsames Gefühl; als hielte er ihren abgetrennten Arm, und Schneeklinge sah schlaff und nutzlos aus in diesen Sekunden.
    »Gib sie mir wieder«, sagte sie, und als er Schneeklinge in die Scheide steckte, küsste sie ihn, sodass alle es sahen.
    Die Männer brummten verwirrt, nur Toska lächelte still. Er war der Einzige, der ihren Trick durchschaut hatte.
    »Hier ist es egal, ob einer Fealv oder Mensch ist, Mann oder Frau, woran er glaubt oder woher sie stammt«, hatte April erklärt. »Es kommt nicht auf den Einzelnen an, sondern die Sache.«
    Zustimmendes Gemurmel machte die Runde.
    »Da aber Janner das bessere Händchen hat … tust du besser, was er sagt.«
    »Du könntest dich zum Beispiel um die Kartoffeln kümmern«, schloss Janner, die Männer lachten, und damit war das Thema erledigt und kam nicht mehr zur Sprache.
    Ein gutes Dutzend weitere Männer war gefolgt, und die meisten von ihnen waren geblieben. Manche waren Gesetzlose oder Vagabunden, andere Patrioten, manche bloß Bauern, die die Steuerlast nicht mehr stemmen konnten. Bald war es wie in einem kleinen wandernden Dorf zu leben, inklusive eines tragbaren Serayaschreins, eines Schießstands, selbstgebackenen Fladenbroten, Arbeitsteilung fürs Kleiderwaschen und die Jagd, und abendlicher Unterhaltung. (Wie Janner es ausdrückte: Jeder, der besser musizieren konnte als er, durfte es auch. Leider hatte bislang niemand ein annehmbares Lied über ihre Taten geschrieben.)
    Sie hatten also schon eine Menge erlebt und eine Menge gesehen. Nichts aber hätte sie – und insbesondere Janner – auf den Besucher vorbereiten können, der an diesem Tag auf sie wartete.

SEEMANNSGARN
    A m anderen Ende des Lagers hatte sich eine kleine Menge zusammengefunden, und Janner drängte sich durch, um zu sehen, wer da solches Aufsehen erregte.
    Er erstarrte.
    Vor ihm stand eine Frau in schwarzer Lederkleidung mit kastanienbraunem Haar, das sie zu einem starren Zopf geflochten hatte. Sie war eine Pherenidin. Ihr Teint war ungewöhnlich dunkel, ihre Züge aber makellos und hart wie die einer Statue, so wie es bei den Bewohnern des Strahlenden Reiches häufig der Fall ist. Sie hielt ein schönes braunes Pferd am Zügel, trug ein Schwert an der Seite, und an ihrem Gürtel prangte der Bronzelöwe von Leiengard.
    »Bist du der Fealv, den sie Banneisen nennen?«, fragte sie.
    »Wer will das wissen?«, erwiderte Janner.
    Sie musterte ihn. Sehr lange, wie es ihm schien. Er wandte den Blick erst ab, dann aber wurde er sich der neugierigen Blicke seiner Männer bewusst und fixierte sie wieder. »Nun?«
    »Cassiopeia Tial«, sagte Cassiopeia.
    Janner öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder, als wäre seine Kehle auf einmal zu trocken. »Was willst du von ihm?«, fragte er dann. »Du siehst nicht aus wie eine Kopfgeldjägerin.« Die Bemerkung war als Scherz gedacht, doch niemand lachte.
    »Mich ihm anschließen«, erwiderte sie kalt.
    »Du? Eine Pherenidin?«
    »Der Kaiser hat meine Familie verraten«, sagte Cassiopeia. »Ichbin die letzte Überlebende meines Hauses. Ich habe Pherenaïs verlassen, um mich dem Widerstand anzuschließen.«
    »Also von mir aus kann sie bleiben«, meinte Ropkin. Cassiopeia schoss ihm einen kurzen Blick zu, und er verstummte.
    »Diese Frau«, sann Janner mit Blick auf ihren Gürtel, »trägt das Zeichen von Leiengard. Sie könnte es mit jedem von euch aufnehmen. Wählt eure Worte mit Bedacht.« Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Du kennst die Schule gut«, stellte sie fest. »Du warst aber nie dort.«
    »Nein«, sagte Janner. »Ich war nie dort.«
    »Was ist das für eine Schule?«, fragte April und trat neben Janner, worauf er kurz zusammenzuckte.
    »Eine alte und angesehene Schule«, sagte Cassiopeia.
    »Die allerbeste«, murmelte Janner.
    »Ich sehe, du trägst ebenfalls ein Schwert«, sagte Cassiopeia zu April. »Du musst Schneeklinge sein.« Ihr Blick wanderte wieder zu Janner. »Dann bist du also Banneisen – Tausenddorns Sohn.«
    »Hast du gehört?«, fragte April und drückte sich an ihn. »Wir sind berühmt.«
    Janner versuchte zu grinsen. Dann warf er einen Blick in die Runde.

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