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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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auf der wilde Mirabellenbäume wuchsen. Er strich mit den Fingern über die Blätter, pflückte eine Frucht und aß sie. Dann holte er seine Flöte heraus, setzte sich unter einen Baum und spielte ein paar leise Töne, doch die Melodie brach ihm weg wie eine alte Brücke.
    »Ianus«, sagte Cassiopeia. Sie schien geradewegs aus dem Nichts aufzutauchen. Er zuckte zusammen, seine Hand ließ die Flöte fallen und fuhr zum Schwert. Sie lächelte. »Gute Reflexe«, sagte sie. »Aus dir hätte ein großer Krieger werden können – wie dein Vater.«
    »Du kennst mich also noch«, sagte er und hob die Flöte auf. Da lachte sie, doch es war kein schönes Lachen. Möwen lachen so, wenn ein Fisch vom Meer ans Land geworfen wird.
    »Ich hatte immer gedacht, dass das meine Zeile sein würde.«
    »Das ist kein Schauspiel.«
    »Nein? Ich dachte, alles ist eine einzige Geschichte. Ein großes Drama – eine Komödie. Etwa nicht?«
    »Ich war mir nicht sicher, ob du’s wirklich bist. Bei den Göttern, wie lang ist es nun her? Zwölf Jahre?«
    »Zehn«, sagte sie und trat einen Schritt näher. »Fast auf den Tag. Darf ich mich setzen?«
    Er nickte, und sie nahm neben ihm Platz. Der schmale Mond und ein paar Sterne erhellten ihr Gesicht gerade genug, dass er für eine Sekunde das Mädchen vor sich zu sehen glaubte, dem er zuletzt in einem anderen Land begegnet war, in einem anderen Leben, von dem er nie erwartet hätte, dass es ihn noch einmal einholen würde.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte er.
    »Der Ruf des großen Banneisen eilt ihm voraus.« Sie lächelte schwach. »So viel hast du erreicht. Glaub mir, ich habe auch nicht schlecht gestaunt, als ich von dir hörte. Dein Vater könnte stolz auf dich sein.«
    Er erwiderte ihr Lächeln, sagte aber nichts dazu.
    »Also?«, fragte sie.
    »Also was?«
    »Wie ist es dir ergangen?«
    Er grunzte. »Ich saß im Gefängnis. Ich fuhr zur See. Ich suchte meinen Vater. Ich lernte ein Mädchen kennen.«
    »Das ist alles?«
    »Bei den Göttern«, flüsterte er wieder. »Warst du wirklich auf Leiengard?«
    »Glaubst du, ich würde den Löwen tragen, wenn ich ihn mir nicht verdient hätte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wenn du ihn trägst, dann hast du ihn dir auch verdient.«
    Sie nickte.
    »Es muss … du musst sehr viel auf dich genommen haben.«
    Sie nickte wieder.
    »Wieso?«, fragte er.
    Sie schaute verständnislos drein. »Wieso? Du fragst mich, wieso ?«
    Er zuckte verlegen die Schultern.
    »Sie haben mein – unser – Zuhause überfallen. Jemand – ihr Anführer – hat meinen Vater getötet. Ich hatte solche Angst …«
    Er nickte.
    »Und du warst nicht da.«
    Er wandte den Blick ab.
    »Wo warst du?«
    Er schaute zu Boden und drehte die Flöte in den Fingern.
    »Ianus?«
    »Ich hatte auch Angst.«
    »Du warst nicht da.«
    »Wie gesagt – ich hatte Angst.«
    »Du bist weggelaufen.«
    »Ich bin weggelaufen.«
    »Ich habe in Ptaraon auf dich gewartet«, sagte sie. »Am Leuchtturm, wie du gesagt hast. Ich habe gesucht, und gewartet. Ich sagte mir, er wird kommen und mich mitnehmen. Er hat es versprochen.«
    »Ich bin weggelaufen.«
    »Du hast es versprochen .«
    »Ich weiß.« Er sah auf. »Ich dachte, du bist tot.«
    »Sie haben mich verschont.«
    Er blickte sie fragend an.
    »Ich suche ihren Anführer«, sagte sie. »Mittlerweile weiß ich, was alles dahintersteckt. Du würdest mir nicht glauben … Ich kann es dir erzählen, wenn du willst. Die Geschichte ist noch nicht vorbei – unsere Geschichte.«
    »Unsere …« Er stockte. »Ich würde dir wirklich gerne helfen. Aber ich habe jetzt meine eigene Geschichte, weißt du. Ich habe eine wirklich schwere Zeit hinter mir. In Ptaraon wollten sie mich umbringen, und in Melnor auch. Ich habe ein paar ziemlich dumme Sachen gemacht, und jetzt bin ich hier. Zum ersten Mal hat mein Leben eine Richtung. Ich habe eine Aufgabe. Ich habe ein Mädchen.«
    Sie lächelte. »Wie wahrscheinlich ist es denn«, fragte sie, »dass wir uns nach so langer Zeit hier wiederfinden? Unsere Geschichten sind eins – erkennst du das nicht? Auch ich war in Ptaraon. Bin zur See gefahren. Ich habe die halbe Welt bereist … und schreckliche Dinge erlebt. Und doch bin ich jetzt hier. Habe auch eine Richtung. Eine Aufgabe.« Sie fuhr ihm durchs Haar, und er zuckte zurück. »Du hast es versprochen!«, erinnerte sie ihn.
    Er stand auf und wandte ihr den Rücken zu. »Ich habe mein Versprechen gebrochen«, sagte er. »Ich hatte Angst, und ich bin weggelaufen. Zehn

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