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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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Kindern im Ausweichlager geblieben. Auch Farnstein war nicht mitgekommen, was Janner enttäuscht hatte; anscheinend war er zu betrunken gewesen.
    Die Späher hatten schon in den frühen Morgenstunden auf ihren Beobachtungsposten gelegen und bestätigt, dass mehrere Wagen mit Soldaten das Depot verlassen hatten. Zur Mittagszeit schien sich eine große Trägheit im Inneren auszubreiten, und erst gegen Abend hatte man wieder Zeichen von Aktivität gehört. Zu jeder vollen Stunde verließ eine Patrouille von zwei Reitern das Lager durch den Seitenausgang, ritt ein Stückchen in den Wald und dann in weitem Bogen bis zur anderen Seite, wo sie kehrtmachten. Davon abgesehen aber wirkte das Lager wie ausgestorben.
    Jede Gruppe verfügte über eine Uhr und ein Fässchen Kanonenpulver. Beides stammte von Toskas lagandæischen Freunden, die anscheinend ein heimliches Interesse an der Unterstützung des Widerstands besaßen. Uhren waren teuer und selten – in ihrer ganzen Kindheit hatte April nur eine einzige gesehen, und die hatte Bruder Tito gehört und war ein schweres Ungetüm gewesen, das immerzu nachging. Diese Uhr hier dagegen war zierlich, leicht, aus schimmerndem Messing und in ein Kästchen aus poliertem Walnussholz gebettet.
    Der Plan sah vor, dass Janners Gruppe die beiden Reiter ausschaltete und dann bis zum Waldrand vorrückte. Sie hätten Zeit bis kurz vor elf, ehe ihr Verschwinden im Lager jemandem auffiele. Odwyn und Fleik würden in der Zwischenzeit im Schutz der Klippe zum hinteren der beiden Türme schleichen, Öl an der Palisade verschütten und ihre Sprengladung anbringen. Punkt halb elf sollten sie zünden und fliehen. Sobald die Explosion die Aufmerksamkeitder Wachen auf der Palisade gebunden hatte, sollten April und ihre Männer sich von der anderen Seite nähern, einen Weg durch den Seiteneingang sprengen, einen kurzen, heftigen Schlag führen und sich zurückziehen. Dies gab Janners Gruppe genug Zeit, mit dem Wagen den Wald zu verlassen und das Haupttor zu erreichen. Sobald auch dieses zerstört war und den Soldaten klar wurde, von wo der eigentliche Angriff kam, konnte April wieder vorrücken und sie von hinten in die Zange nehmen.
    Es war ein komplizierter Plan, bei dem jedes Rädchen ins andere greifen musste, und jede Gruppe die nötige Ablenkung für die nächste lieferte. Toska hatte ihn entwickelt, um ihre Chancen gegen die gut gerüsteten Soldaten zu erhöhen und Verluste möglichst gering zu halten. Sie mussten die Soldaten in Panik versetzen, hatte er gesagt, und immer einen Schritt voraus sein.
    »Warum brauchen sie nur so lang?«, flüsterte April mit Blick auf die Uhr. Sie waren schon zehn Minuten über der Zeit. Odwyn hätte längst zünden sollen. Im Fort sattelte die nächste Patrouille wahrscheinlich schon ihre Pferde, und in spätestens zwanzig Minuten würde eine Sanduhr auslaufen und das Verschwinden ihrer Vorgänger bemerkt werden.
    »Vielleicht gab es ein Problem mit der Patrouille?«, meinte Horb.
    »Nein«, widersprach sie. »Banneisen hat genug Leute. Keine Chance, dass die beiden Reiter ihnen entwischt sind. Es muss ein Problem bei Odwyn gegeben haben.«
    Sie studierte die Wehrgänge. Im Feuerschein zeichneten sich schwach die Umrisse der Soldaten ab, doch die Klippe warf einen breiten Schatten über das Gelände.
    »Wir rücken vor«, beschloss April.
    »Bist du sicher?«, fragte Lysle.
    »Banneisen wird den Einsatz auf keinen Fall abblasen. Wenn wir es schaffen, unbemerkt bis zum Zaun vorzudringen, haben wir die Überraschung noch auf unserer Seite.«
    Lysle nickte und gab den Befehl im Flüsterton weiter. Sie ließen,was sie entbehren konnten, zurück, verließen die Deckung und huschten geduckt am Ufer des Bachs entlang. Horb, der der kräftigste von ihnen war, trug das Fässchen.
    Die Entscheidung war riskant, denn außer der sanften Böschung und gelegentlichen Sträuchern bot das Gelände kaum Deckung, und April rechnete jeden Augenblick mit einem Alarmsignal und dem darauf folgenden Pfeilregen, dem sie kaum etwas entgegenzusetzen hätten. Einmal glaubten sie das Blitzen einer Laterne auf dem Wehrgang zu sehen, warfen sich bäuchlings hin und verharrten einige atemlose Sekunden. Dann rappelten sie sich auf und huschten weiter.
    Sie erreichten die Palisade. Sofern keine Wache direkt senkrecht nach unten sah, waren sie vor Entdeckung geschützt; sie standen im Schatten am Ufer des kleinen Sees, und der Wasserfall überdeckte die meisten Geräusche. Ein Stück neben ihnen

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