Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
Toska schaute ihn besorgt an. Janner breitete die Hände aus. »Es wäre unhöflich, dich abzuweisen, wo du diesen weiten Weg auf dich genommen hast. Und es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Träger des Löwen einem Hilfe anbietet. Wieso kommst du nicht erst einmal an und nimmst dir vorne in der Küche was zu essen? Wir reden später. Toska?« Mit einem knappen Blick zu April zog er den kleineren Mann mit sich.
»Du musst dich für mich darum kümmern, in Ordnung?«, flüsterte er, sobald sie außer Hörweite waren.
»Was ist los mit dir?«, fragte Toska und legte den Kopf schief. »Kennst du diese Frau?«
»Nein. Das heißt, ich bin mir nicht sicher. Aber wenn sie wirklich den Löwen trägt …«
»Für mich sah es ganz danach aus.«
Janner verzog das Gesicht.
»Was? Glaubst du, sie ist eine Betrügerin? Niemand wäre so dreist«, sagte Toska. »Oder doch?«
»Du hast recht«, sagte Janner. »Dem letzten, den sie bei so was erwischten, haben sie die Haut abgezogen.«
Toska gluckste. »Klingt nach einem guten Stück Seemannsgarn.«
»Du bist unmöglich. Diese Frau stellt eine echte Gefahr für uns dar. Niemand hier kann ihr das Wasser reichen.«
»Auch nicht Schneeklinge?«
»Gut, Schneeklinge vielleicht.« Er schüttelte den Kopf. »Das Problem ist, wir können sie gar nicht wegschicken. Aber wenn sie uns wirklich hilft, haben wir einen mächtigen Trumpf im Ärmel.«
»Dann willst du sie in unseren Plan einweihen?«
Janner schaute sich um, als hätte er aus den Augenwinkeln etwas bemerkt. »Entscheide du. Ich muss mich jetzt um Niesel und seinen Kumpel und einen Haufen andere Sachen kümmern.«
»Ich finde wirklich, du solltest diese Entscheidung treffen. Sie hat nach dir gesucht – sie kommt aus deiner Heimat. Hast du von ihrer Familie schon mal gehört?«
»Kann sein«, sagte Janner. »Aber du musst dich darum kümmern. Hörst du, Toska? Kümmere dich bitte darum.« Dann wandte er sich ab und eilte davon.
»Hey«, sagte April, als Janner später am Tag zu ihr kam. Sie saß auf einem Stein am Bach, ein gutes Stück abseits der Stelle, wo sie sonst zum Waschen hingingen, und sah nachdenklich aus. »Wo hast du gesteckt?«
»Bitte entschuldige«, sagte Janner, beugte sich zu ihr herab und küsste sie. »Viel zu tun. Wir bauen das Lager ab.«
»Jetzt schon?« Sie erwiderte den Kuss, dann hielt sie inne. »Hast du getrunken?«
»Kann sein«, wich er aus. »Tut mir leid.«
»Das braucht es nicht. Aber vielleicht sollten wir die nächsten Tage einen kühlen Kopf bewahren.« Sie ließ ihn los und spähte ins Unterholz auf der anderen Seite des Bachs.
»Was machst du hier?«, fragte er.
»Ich habe mich etwas umgesehen. Ich dachte … Ich hatte einfach ein komisches Gefühl.«
»Was ist da?« Er reckte den Hals und versuchte, ihrem Blick zu folgen.
»Ich glaube, eine Krähe. Sie ist aber ganz weiß.«
Er gab auf und ließ sich müde neben sie sinken. »Albinos galten in Pherenaïs nicht gerade als Glücksbringer.«
»Liebling«, sagte April und wandte sich ihm wieder zu. »Was ist los?«
»Es ist der Überfall«, sagte er. »Das ist die größte Sache, die wir bislang gemacht haben. Größer noch als das Gefängnis.«
»Ist es wirklich nur das?«
»Was meinst du damit?«
»Es hat doch nichts damit zu tun … was ich dir heute früh erzählt habe?«
Er legte den Arm um sie. »Nein. Wirklich nicht. Ich bin sehr glücklich, und daran kann nichts und niemand etwas ändern.«
»Was ist es dann?« Sie schaute ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. »Ist es die Neue? Etwas an ihr war merkwürdig. Habt ihr euch schon mal getroffen?«
»Ich kenne diese Frau nicht«, sagte Janner. »Ich weiß nicht, wer sie ist.«
Sie strich ihm über die Wange. »Es wird alles gut«, sagte sie. »Wir sind unbesiegbar, du und ich.«
»Ja«, sagte er. »Ich weiß.«
»Gehen wir zurück zu den anderen.« Sie küsste ihn. Dann stand sie auf und zog ihn auf die Beine.
Sie warf noch einen letzten Blick auf die andere Seite des Bachs, ehe sie gingen. Aber sie konnte die Krähe nicht mehr entdecken.
Spät in der Nacht konnte er nicht schlafen, also legte er sein Schwert an, warf sich seinen Rucksack über die Schulter und machte einen Spaziergang. Er nickte Odwyn und den beiden Fealva zu, die in Sichtweite des Feuers patrouillierten, dann ging er tiefer in den Wald, aber nicht so tief, dass er auf einen ihrer Außenposten stoßen würde. Eine Weile folgte er dem Verlauf des Bachs, dann entdeckte er eine kleine Wiese,
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