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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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Brosche, die sie noch immer darin trug. Sie nahm sie heraus und legte sie auf den Esstisch, säuberlich, wie man ein Gedeck herrichtet.
    »Wer ist da?«, schrie ihr Vater. »Ist da ein Fremder?« Da zuckte sie zusammen und erwachte aus ihrer Trance. Was immer sie geglaubt hatte, hier zu finden, es war nicht mehr da. War es nie gewesen.
    April löste sich vom Tisch und ging zur Tür, ganz langsam, wie man sich vom Ort eines Verbrechens entfernt.
    Draußen standen Bruder Tito und mehrere Männer im Halbkreis und zeigten mit dem Finger auf sie.
    »Das ist sie«, sagte Maisies Mutter und spuckte aus.
    »Sie sollte sich was schämen!«, rief der alte Stellmacher.
    Bruder Tito musterte sie kalt. »Sie ist eine Schande für uns alle. Schaut sie euch an! Ihrem eigenen Vater so etwas anzutun. Schande über sie!«
    April stieg auf ihr Pferd. Rosi kam gerannt, mit wehendem Rock, und rauschte an ihr vorbei ins Haus, um ihren tobenden Vater zu beruhigen.
    Einen Moment sah es so aus, als wollten die Männer ihr den Weg verstellen, doch niemand griff ein, als April die Zügel aufnahm und ihr Pferd wendete. »Na los, Nelly«, murmelte sie und ritt los.
    Stumm wichen die Dörfler beiseite, dann schlossen sich die Reihen wieder.
    So blieben die Geister ihrer Kindheit hinter ihr zurück, und sie drehte sich nicht mehr nach ihnen um. Nur einmal glaubte sie eine kleine graue Katze zwischen den Häusern herumstreifen zu sehen.
    Sie wünschte, sie hätte sie mitnehmen können. Sie wünschte es wirklich.

STURM AUF DAMOSFELS
Ouvertüre
    D ie Zinnen der Festung Damosfels zeichneten sich aschgrau vor dem Firmament ab, ungeheure Fänge, hungrig in den finsteren Himmel geschlagen. Wo dieser sich dahinter auf die Welt hinabsenkte, glaubte man eine Ahnung des bleichen Lichts zu erkennen, das die Morgendämmerung vor sich her trieb, wie Wellen Schaum vor sich her treiben. Derselbe Schimmer lastete auf dem bleiernen Fluss, an dessen Ufern die Schiffe des Kaisers vor Anker lagen; und davor, zertrümmerte Muscheln am Strand, die dunklen Zelte seiner Armee, zwischen denen Soldaten gepanzerten Krebsen gleich hin und her eilten.
    »Ich gehe rein«, sagte Cassiopeia und überprüfte den Sitz ihres Schwerts und ihrer schwarzen Kleidung.
    »Es sind so viele«, flüsterte April und zog sich mit ihr vom Grat des Hügels zurück. »Wie willst du das schaffen? Warte auf uns. Sarik wird in einer Stunde oder zweien fertig sein.«
    »Ich mache dasselbe wie am Depot. Ich kann das Lager durchqueren und in die Burg eindringen, ohne dass mich irgendwer sieht. Aber dafür brauche ich etwas Zeit und den Schutz der Dunkelheit. In einer guten Stunde geht die Sonne auf, dann ist es zu spät. Und verzeih, wenn ich meinen eigenen Fähigkeiten mehr traue als denen deines Zauberers.«
    »Wenn sie dich erwischen …«
    »Keine Angst.« Sie legte den Kopf schief. »Ich trage den Löwen von Leiengard. Niemand wird mich mit euch in Verbindung bringen. Eher halten sie mich für eine bezahlte Mörderin. Außerdemhat mich noch nie jemand gesehen, wenn ich das nicht wollte.«
    Die Dunkelheit umschmeichelte so liebevoll ihre Züge, dass April nicht sah, ob die Pherenidin lächelte oder einfach nur ihre Angst verbarg. Wenn sie Angst hatte, dann aber sicher nicht vor der kaiserlichen Armee. »Ich gehe rein und tue, was ich kann, sie abzulenken«, fuhr sie fort. »Wenn ich für den Rückzug Hilfe brauche, werde ich euch schon finden.«
    »Ich glaube nicht, dass Sariks Fluggerät uns alle tragen kann«, gab April zu bedenken.
    »Siehst du? Also nehmt ihr den Apparat, und ich gehe zu Fuß. Los jetzt! Geh zurück. Edric und Horb verlieren sonst noch die Nerven. Und falls ich Janner zuerst finde, bestelle ich Grüße. Wir sehen uns wieder, wenn alles vorbei ist.«
    Mit diesen Worten huschte sie in eine Senke, in der die Dunkelheit wie schwarzes Wasser stand, und verschwand. Es war, als werfe man ein Zuckerstück in eine Tasse Kaffee, und April blinzelte verblüfft. Sie hasste es, dass diese Frau nie auf sie hörte, und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie und Janner nicht mehr verband, als sie zugaben.
    Sie starrte ihr noch eine Sekunde lang nach, dann zog sie sich leise fluchend in den Schutz der Bäume zurück und wanderte so schnell es ging wieder den Berg hinauf.
    Das Irrlicht kreiste unstet über der Wiese, als wäre der Morgenstern vom Himmel gefallen und suchte nach einem Ausweg. Ein paar Glühwürmchen waren unter seinem schwachblauen Licht erwacht und zogen schläfrig ihre

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