Das Licht Von Atlantis
Tatsache mir gegenüber unverfroren genug zu!«
»Soll ich lieber lügen?« fragte Riveda in merklicher Erregung. »Demira ist für diesen Zweck gezeugt und aufgezogen worden, andernfalls hätte ich keinen Finger gerührt, um sie davor zu retten, sich auf der Stadtmauer zu Tode zu plärren. Abgesehen davon hat sie kaum einen Wert. Sie hat es allein durch ihre Geburt fertiggebracht, dass Karahama mich hasst -« Riveda hielt inne, und zum erstenmal nahm Deoris eine schwache Stelle in Rivedas eisiger Rüstung wahr. Schnell fuhr er fort: »Das Balg ist gerade richtig, um dem Wissensfortschritt zu dienen.«
»Etwas anderes interessiert dich ja auch nicht!« Deoris brüllte jetzt. »Aber Karahamas Blut ist auch mein Blut!«
»Meinst du, das überrascht mich?« antwortete Riveda brutal. »Warum habe ich wohl gerade dich erwählt?«
Deoris vermochte nicht zu antworten. Sie brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um nicht zusammenzubrechen.
Rivedas Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln. »Du kleiner Dummkopf, ich glaube, du bist eifersüchtig!«
Deoris schüttelte schweigend den Kopf und drehte sich auf dem Absatz um. Ihre Lippen zitterten.
Riveda packte mit starker Hand ihren Ellenbogen und hielt sie zurück. »Sagst du es Demira?« fragte er drohend.
»Zu welchem Zweck? Um sie ebenso unglücklich zu machen wie mich?« gab Deoris kalt zurück. »Nein, ich werde dein Geheimnis wahren. Und jetzt nimm deine Hände weg von mir!«
Er riss die Augen auf und ließ die Hand sinken. »Deoris«, begann er schmeichelnd, »du hast mich immer verstanden, bevor -«
Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Dich verstanden? Nein, niemals. Du bist früher auch anders gewesen. Das hier ist - Zauberei, Verzerrung - Schwarze Magie!«
Riveda schluckte die erste Antwort, die ihm in den Sinn kam, hinunter und murmelte nur ziemlich kleinlaut: »Nenne mich ruhig einen Schwarzen Magier, damit die Sache ein für alle Mal klar ist.« Dann zog er sie mit der Zärtlichkeit, die bei ihm so selten war, obwohl sie sich zunächst weigerte, an sich. »Deoris«, flehte er, »du bist immer meine Kraft gewesen. Verlasse mich nicht! Hat Domaris dich so schnell gegen mich eingenommen?«
Deoris kämpfte mit den Tränen.
»Deoris, es ist nun einmal geschehen, und ich stehe dafür ein. Es ist zu spät zur Umkehr, und Reue würde nichts ungeschehen machen. Vielleicht war es - unklug; es mag grausam gewesen sein, aber es ist geschehen . Deoris, du bist der einzige Mensch, dem ich zu vertrauen wage: Nimm Demira in deine Obhut, lass sie dein Kind sein. Ihre Mutter hat sich längst von ihr abgewandt, und ich - ich habe kein Recht mehr an ihr, wenn ich es überhaupt je gehabt habe.« Er verzog schmerzlich das Gesicht. Leicht berührte er die furchtbaren Narben, die von ihrer Kleidung verborgen wurden. Dann glitten seine Hände zu ihrer Taille und tasteten merkwürdig unsicher nach den symbolgeschmückten hölzernen Gliedern des Gürtels. Er sah sie an, und sie entdeckte in seinem Gesicht eine schmerzliche Frage und eine Angst, die sie nicht zu deuten wusste. Er stieß hervor: »Du weißt es noch nicht - die Götter retten euch, die Götter schützen euch alle! Ich habe ihren Schutz verwirkt; ich bin - grausam zu dir gewesen - Deoris, hilf mir! Hilf mir, hilf mir doch!«
Seine eisige Zurückhaltung schmolz in einem einzigen Augenblick - und mit ihr verflog Deoris' Zorn. Sie schlang die Arme um ihn und versicherte ihm stammelnd: »Das werde ich immer tun, Riveda, immer!«
2. ENTDECKUNG
Irgendwo in der Nacht zerriss das schrille Schreien eines Kindes die Stille. Deoris hob den Kopf vom Kissen und drückte die Hände auf die schmerzenden Augen. Durch die Fensterläden kam kein Mondschein herein, und im Zimmer war es stockdunkel. Sie war noch an die Stille der Saji -Höfe gewöhnt - hatte sie geträumt? Doch dann erinnerte sie sich. Sie befand sich nicht im Grauen Tempel, auch nicht in Rivedas spartanischer Behausung, sondern in Domaris' Wohnung. Es musste Micail sein, der da weinte...
Deoris glitt aus dem Bett. Barfuss ging sie über den schmalen Flur in das Zimmer ihrer Schwester. Beim Geräusch der sich öffnenden Tür hob Domaris den Kopf. Sie war halb angezogen; ihr offenes Haar hatte sich wie ein kupferfarbener Nebel um den kleinen Jungen gelegt, der sich, immer noch schluchzend, an sie klammerte.
»Deoris, hat er dich aufgeweckt? Das tut mir aber leid.« Sie streichelte Micails wirre Locken und wiegte das Kind sanft an ihrer Schulter. »Nun ist
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