Das Licht Von Atlantis
eigenen seufzenden Atmens sein - aber Rajasta zögerte nun nicht mehr.
Er eilte die lange Treppe hinunter, zwei und drei Stufen auf einmal nehmend, dabei hielt er sich an der glatten Wand oder am Geländer fest, das heftig vibrierte. Seine Sandalen klapperten mit verzweifelter Hast, erweckten gehetzte, hallende Echos - ihm war klar, dass er jeden, der sich unten befinden mochte, warnte, aber die Zeit für Vorsicht und Geräuschlosigkeit war vorbei.
Seine Kehle war trocken, sein Atem keuchte, denn er war kein junger Mann mehr, und wie ein Alptraum jagte ihn die Angst, zu spät zu kommen, diese lichtlose Treppe weiter und weiter hinab in diesen grauen, uralten Schacht hinein, durch widerhallende Ewigkeiten, die mit Spinnwebfingern nach ihm griffen. Seine Fersen wirbelten Staub auf, der viele Jahre lang nicht berührt worden war. Das makellose Weiß seiner Robe wurde grau... Hinunter und hinunter ging es, bis es zum Hohn wurde, die Entfernung zu messen.
Er stolperte und wäre beinahe gefallen, als die Stufen plötzlich aufhörten. Benommen hielt er Umschau und versuchte, sich zu orientieren. Wieder überkam ihn der Gedanke, dass alles, was er tat, hoffnungslos war. Er kannte diesen Ort nur von Karten und den Erzählungen und Aufzeichnungen anderer... Endlich entdeckte er den Eingang zu dem großen Gewölbe, aber er war sich erst sicher, als er den monströsen Sarkophag, den von Äonen geschwärzten Altar und die in Binden aus Stein gewickelte schattenhafte Gestalt erkannte. Doch er sah kein menschliches Wesen innerhalb des Schreins, und einen Augenblick lang wurde Rajasta von namenloser Furcht ergriffen, nicht um Domaris, sondern um sich selbst.
Durch die Finsternis drang jedoch ein Stöhnen an sein Ohr, schwach, richtungslos, hallend. Rajasta fuhr herum, halb wahnsinnig vor Angst, was sich ihm wohl zeigen würde. Wieder hörte er das Stöhnen, und diesmal erkannte Rajasta die undeutlichen Umrisse einer Frau, die sich in Schmerzen auf dem Boden vor dem Sarkophag wand, eingehüllt in den feurigen Mantel ihres langen Haars...
»Domaris!« Der Name kam wie ein Schluchzen von seinen Lippen. »Domaris! Kind meiner Seele!« Mit einem einzigen Schritt war er neben dem von Krämpfen geschüttelten Körper. Alles drehte sich um ihn, und er schloss kurz die Augen. Er hatte Domaris immer sehr gern gehabt, aber wie sehr er sie liebte, das fühlte er erst jetzt, wo sie in seinen Armen lag wie eine Sterbende.
Er hob den Blick. Nein, sie hat nicht versagt! dachte er mit grimmiger Freude. Die Ketten der Macht waren gelöst, aber sie hat sie wieder geschlossen und die Macht gebannt, wenn auch nur mit knapper Not. Das Sakrileg ist ungeschehen gemacht - aber um welchen Preis für Domaris? Ich wage nicht, sie zu verlassen, nicht einmal, um Hilfe zu holen. Auf jeden Fall ist es besser, sie stirbt, als dass sie ihr Kind hier zur Welt bringt!
Er dachte einen Augenblick nach, dann bückte er sich und hob sie auf. Es war keine leichte Last - Rajasta in seinem gerechten Zorn spürte ihr Gewicht jedoch kaum. Er sprach beruhigend auf sie ein, und obwohl sie ihn nicht verstehen konnte, drang der Ton seiner Stimme bis in ihr verdunkeltes Bewusstsein vor. Sie wehrte sich nicht, als er sie zum Fuß der langen Treppe trug. Rajasta atmete mühsam, und mit einem Gesichtsausdruck, den niemand je an ihm gesehen hatte, wandte er sich dem unglaublich fernen Ausgang zu. Seine Lippen bewegten sich, er holte noch einmal tief Atem - und begann zu klettern.
4. DIE GESETZE DES TEMPELS
Elara ging im Hof umher und sang fröhlich bei ihrer Arbeit. Plötzlich aber ließ sie die halbgefüllte Blumenvase fallen und eilte Rajasta entgegen, denn sie hatte ihn mit seiner leblosen Bürde durch den Garten kommen sehen. Mit ängstlich aufgerissenen Augen hielt sie ihm die Tür auf. Dann lief sie an ihm vorbei, um Kissen von einem Diwan zu nehmen und Rajasta dabei zu helfen, Domaris niederzulegen.
Vor Erschöpfung grau im Gesicht, richtete der Wächter sich auf. Er rang nach Atem. Elara wollte ihn zu einem Sessel führen; er schüttelte sie jedoch gereizt ab. »Sieh nach deiner Herrin -«
»Sie lebt«, antwortete die Dienerin schnell. Ohne Rajastas Befehl abzuwarten, fühlte sie Domaris den Puls. Befriedigt sprang sie auf und lief zu einem Schrank. Gleich darauf kehrte sie zurück und hielt ihrer Herrin einen starken Duftstoff an die Nase. Nach einer Zeit, die unendlich lang schien, stöhnte Domaris, und ihre Augenlider zitterten.
»Domaris -« sprach Rajasta sie
Weitere Kostenlose Bücher