Das Licht Von Atlantis
nicht um mich«, erwiderte Elara hastig, »sondern um meine Herrin, die Priesterin Domaris -«
Die alte Dame erschrak. »Mögen die Götter sich ihrer erbarmen!« flüsterte sie. »Was ist mit ihr, Elara?«
»Ich darf es dir hier nicht erzählen, Mutter«, hauchte Elara. »Bring mich bitte zu Karahama -«
»Zu der Hohepriesterin?« Elara sah so verzweifelt aus, dass Mutter Ysouda keine Zeit mehr mit Fragen vergeudete, sondern die kleine Frau zu einer Bank im Schatten zog. »Ruhe dich hier aus, Tochter, sonst könntest du oder dein Kind Schaden nehmen; die Sonne brennt heute so heiß. Ich gehe selbst zu Karahama, dann wird sie schneller kommen, als wenn ich eine Dienerin oder Novizin schicke...«
Sie wartete Elaras Danksagungen nicht ab, sondern eilte auf das Gebäude zu. Elara setzte sich auf die Bank, war jedoch zu ungeduldig und zu ängstlich, um sich auszuruhen, wie es Mutter Ysouda ihr geraten hatte. Sie stand wieder auf, lief auf und ab und rang verzweifelt die Hände.
Ihr war klar, dass sich Domaris in ernster Gefahr befand. Elara hatte nur kurze Zeit Dienst im Tempel Caratras getan und nicht mehr als die Grundausbildung bekommen - aber eines wusste sie ganz genau: Domaris hatte viele Stunden lang Wehen gehabt, und wenn alles in Ordnung wäre, hätte sie ihr Kind längst geboren, ohne Hilfe zu brauchen.
Elara war eine freie Bürgerin der Stadt, und ihre Mutter war Domaris' Amme gewesen, was eher ein Privileg als eine Pflicht bedeutete. Für Domaris, die sie liebte und bewunderte, hätte sie ohne zu überlegen ihr Leben riskiert - aber Rajastas Worte hallten wie betäubender Donner in ihrem Kopf wider.
Sie ist vom Bösen angesteckt - du bist großmütig, doch das kann ich nicht erlauben! Du hast nicht das Recht, das Leben deines Kindes zu gefährden - bürde Domaris kein weiteres Verbrechen auf. Lass sie nicht auch noch schuldig am Tod deines ungeborenen Kindes werden!
Plötzlich hörte Elara Schritte hinter sich und drehte sich um. Dort stand eine sehr junge Priesterin. Sie streifte Elaras einfaches Kleid mit einem verächtlichen Blick und sagte: »Mutter Karahama empfängt dich.«
In zitternder Hast folgte Elara der ihr gemessenen Schrittes vorangehenden Frau zu Karahama und kniete vor ihr nieder.
Nicht unfreundlich bedeutete Karahama ihr, sich zu erheben. »Du kommst wegen - Talkannons Töchtern?«
»Ja, Priesterin«, sagte Elara in bittendem Ton, »ein Sakrileg ist begangen worden und Domaris darf nicht in das Haus der Geburt gebracht werden - und Deoris ist nicht erlaubt, sie zu entbinden! Rajasta sagt, sie sei - rituell unrein. Sie ist in der Krypta, im Dunklen Schrein gefunden worden -« Sie brach in Schluchzen aus und hörte weder Mutter Ysoudas entsetzten Aufschrei noch das erregte Keuchen der jungen Novizin. »O Karahama, du bist die oberste Priesterin! Wenn du die Erlaubnis gibst - ich bitte dich, ich bitte dich -«
»Wenn ich die Erlaubnis gebe«, wiederholte Karahama langsam.
Vor vier Jahren hatte Domaris Karahama mit ein paar Worten vor ihren Schülerinnen gedemütigt. Sie hatte die ehemals namenlose Frau mit ihrer Verachtung ins Herz getroffen und außerdem in herabsetzender Weise die Hilfe einer einfachen Helferin der ihren vorgezogen.
Karahama lächelte in einer Weise, die Elara das Blut in den Adern erstarren ließ. »Es tut mir leid«, erklärte Karahama mit ihrer melodischen Stimme, »aber ich bin Hohepriesterin Caratras. Ich muss die Frauen, die unter meiner Obhut stehen, vor Unheil bewahren. Deshalb kann ich keiner Priesterin erlauben, sich ihrer anzunehmen; auch darf ich selbst mich einer Frau, die so vom Bösen verseucht ist, nicht nähern. Überbringe meiner Schwester meine Grüße, Elara, und sage ihr -« Karahamas Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln. »Sage ihr, ich wagte es nicht, ihr zu helfen, da die Wächterin Domaris nur von ihresgleichen entbunden werden darf.«
»Oh, Herrin!« rief Elara entsetzt. »Sei nicht grausam -«
»Schweig!« befahl Karahama streng. »Du vergisst dich, aber ich verzeihe dir. Geh jetzt, Elara. Und merke dir - bleib nicht in der Nähe deiner Herrin, damit dein Kind keinen Schaden nimmt!«
»Karahama -« begann Mutter Ysouda mit zitternder Stimme. Ihr Gesicht war so weiß wie ihr Haar. Sie bewegte die Lippen, aber eine ganze Weile entrang sich ihrer Kehle kein Laut. Dann flehte sie: »Lass mich zu ihr gehen, Karahama! Ich bin alt, mir kann nichts mehr passieren. Wenn Gefahr besteht, lass sie mich treffen, ich will sie gern,
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