Das Licht Von Atlantis
versprach sie. »Hab' Dank, Elis.«
Sobald sie ihrer Cousine aus den Augen war, zeigte Deoris etwas weniger Haltung. Sie war dieser Sache sieben Jahre lang ausgewichen, denn sie fürchtete, von dem unbestechlichen Richter Rajasta verurteilt zu werden... Trotzdem beschleunigte sie ihren Schritt auf dem Pfad zu seiner Wohnung.
Wovor hatte sie sich eigentlich gefürchtet? Rajasta konnte ihr doch dazu verhelfen, sich selbst ins Gesicht zu sehen, ja sich selbst zu erkennen.
»Ich kann dir nicht sagen, was du tun musst«, erklärte Rajasta unbeugsam. »Nicht, was ich von dir verlange, zählt, sondern das, was du selbst von dir forderst. Du hast bestimmt Entwicklungen in Gang gesetzt. Studiere, welches Unheil durch dich entstanden ist und welche Verpflichtungen dir deshalb auferlegt werden müssen. Du wirst dich schärfer verurteilen, als ich es je könnte - doch nur so kannst du wieder Frieden mit dir selbst schließen.«
Die vor ihm kniende Frau kreuzte die Arme vor der Brust und forschte in ihrem Innern. Lange Zeit verharrte sie in dieser ruhigen Stellung.
Rajasta hielt ein Wort der Warnung für angebracht. »Du wirst das Urteil über dich selbst sprechen, wie es eine Initiierte tun muss. Aber versuche nicht noch einmal, dein Leben wegzuwerfen, das die Götter dir dreimal neu geschenkt haben! Zum Tod darf man sich nicht selbst verdammen. Es ist Ihr Wille, dass du lebst. Von einem Menschen wird nur dann zu sterben verlangt, wenn sein Körper durch eine Schuld so besudelt und verunstaltet ist, dass ihm durch Wiedergeburt eine bessere Hülle gegeben werden muss.«
Deoris blickte auf. »Rajasta, ich ertrage es nicht, dass ich geehrt, dass ich Priesterin und Initiierte genannt werde - ich, die ich mit Körper und Seele gesündigt habe -«
»Still!« befahl er streng. »Auch das gehört zu deiner Buße, Deoris. Ertrag es in Demut, denn es läutert dich; Verschwendung ist ein Verbrechen. Andere, die weiser sind als wir, haben beschlossen, dass du auf diese Weise allen am besten dienen kannst. Eine große Aufgabe ist dir nach deiner Wiedergeburt vorbehalten, Deoris. Fürchte dich nicht, tue gewissenhaft für jede Sünde Buße. Der Tod wäre für dich ein zu leichter Ausweg gewesen! Wärest du gestorben - hätten wir dich verstoßen, um zu sterben oder in neue Irrtümer zu verfallen - dann hätten sich Ursachen und Verbrechen vervielfältigt! Nein, Deoris, die Wiedergutmachung, die du in diesem Leben leisten musst, wird länger dauern und schwerer sein als das!«
Beschämt blickte Deoris zu Boden.
Mit einem kaum hörbaren Seufzer legte Rajasta ihr die Hand auf die Schulter. »Steh auf, Tochter, und setze dich neben mich.« Sie gehorchte, und er fragte: »Wie alt bist du eigentlich jetzt, meine Tochter?«
»Siebenundzwanzig.«
Rajasta sann vor sich hin. Deoris hatte nicht geheiratet, und sie hatte sich auch keinen Liebhaber genommen - Rajasta hatte sich die Mühe gemacht, darüber Nachforschungen anzustellen. Er war sich nicht mehr sicher, ob es klug von ihr gewesen war, keine Rücksicht auf die Bräuche des Tempels zu nehmen. Eine unverheiratete Frau in ihrem Alter wurde verachtet, und Deoris war weder Ehefrau noch Witwe... Mit tiefer Bekümmernis, die ihn nie ganz losließ, dachte er an Domaris. Ihre Trauer um Micon hatte ihre Gefühle verdorren lassen. Ob Riveda bei Deoris ebensolche Narben hinterlassen hatte?
Endlich hob Deoris den Kopf, und ihre blauen Augen sahen ihn fest an. »Lass dies meine Strafe sein -« und sie erläuterte ihm, was sie vorhatte.
Während sie sprach, sah Rajasta sie forschend an, und als sie geendet hatte, meinte er: »Du machst es dir nicht leicht, meine Tochter.« Nichts von allem, was ihr in den letzten Jahren widerfahren war, hätte sie dazu gebracht, beinahe die Fassung zu verlieren, wie Rajastas Freundlichkeit in diesem Augenblick.
Doch sie wankte nicht in ihrem Entschluss. »Domaris hat sich auch nicht geschont«, sagte sie langsam. »Ich glaube zwar nicht, dass ich meine Schwester in diesem Leben wiedersehen werde, aber -« Sie senkte den Kopf. Von plötzlicher Schüchternheit übermannt, fiel es ihr schwer weiterzusprechen. »Aber da unsere Eide uns binden, werden wir uns in einem späteren Leben begegnen - und dann möchte ich mich nicht vor ihr schämen müssen.«
Rajasta war tief bewegt. »So sei es«, nickte er. »Du hast die Wahl selbst getroffen und dein Spruch ist gerecht.«
6. ÜBERRASCHUNGEN
Im elften Jahr ihres Exils stellte Domaris fest, dass sie ihre Pflichten
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