Das Licht Von Atlantis
Taubstumme, die ihr das Essen brachte. Nadastor behandelte sie mit förmlicher Ehrerbietung; dies erstaunte das Mädchen und erschreckte sie besonders, nachdem sie das Bruchstück der Unterhaltung zwischen den beiden Männern mitangehört hatte...
Sie und Riveda waren nach und nach in eine liebevolle Gemeinschaft hineingewachsen, die alles übertraf, was Deoris bisher kennen gelernt hatte. Nie mehr hatte er düstere Stimmungen. An diesem Tag hatte er eine Weile neben ihr gesessen, einige der alten Inschriften in beinahe lustvoller Stimmung übersetzt und versucht, sie mit all den kleinen Scherzen, die man bei einem kranken Kind anwendet, zum Essen zu überreden. Schließlich legte er sie nieder, zog eine gewebte Wolldecke über ihre Schultern und verließ sie, denn sie ermüdete immer noch schnell. Deoris schlief, bis seine Stimme sie weckte. Er sprach ziemlich laut, als habe er sie in seinem Ärger vergessen.
»- mein ganzes Leben lang habe ich das mit Abscheu von mir gewiesen!«
»Sogar im Tempel des Lichts«, erwiderte Nadastor, »heiraten manchmal Bruder und Schwester. Ihre Linie wird rein gehalten; sie wollen kein fremdes Blut, das Züge zurückbringen könnte, die sie aus der Priesterkaste hinausgezüchtet haben. Kinder des Inzests sind oft von Natur hellsichtig -«
»Falls sie nicht wahnsinnig sind«, bemerkte Riveda zynisch.
Die Stimmen sanken zu einem Murmeln ab, und Deoris schloss die Augen wieder; dann wurde Riveda von neuem lauter.
»Welche von Talkannons -«
»Du wirst das Mädchen aufwecken«, warnte ihn Nadastor. Minutenlang sprachen sie so leise, dass Deoris nichts verstand. Das nächste, was sie auffing, war Nadastors trockene Feststellung: »Menschen züchten Tiere auf ein bestimmtes Ergebnis hin. Sollen sie den Samen ihrer eigenen Körper verstreuen...« Die Stimme wurde undeutlich, dann war zu hören: »Ich habe dich lange Zeit beobachtet, Riveda. Ich wusste, dass du die Beschränkungen, die dir das Ritual auferlegt, eines Tages satt haben würdest!«
»Dann weißt du mehr als ich«, gab Riveda zurück. »Nun, ich kenne in dieser Richtung keine Reue und - ganz gleich, was du denken magst - auch keine Skrupel. Hör zu, ob ich dich verstanden habe. Das Kind eines Mannes, der über das Alter der Leidenschaft hinaus ist, und eines Mädchens, das gerade alt genug ist, um zu empfangen, kann - fast außerhalb der Gesetze der Natur stehen...«
»Und wird kaum an sie gebunden sein«, ergänzte Nadastor. Er stand auf und verließ den Raum, und Riveda kam, um nach Deoris zu sehen. Sie schloss die Augen. Er glaubte, sie schlafe noch, und wandte sich nach einem Augenblick ab.
Die Wunden auf Rücken und Schultern waren bald verheilt, aber die schreckliche Verbrennung auf ihren Brüsten hatte sich tief eingefressen. Als Deoris wieder aufstehen konnte, war sie immer noch dick verbunden, und ertrug es nicht, wenn man die Stelle berührte - doch sie wurde unruhig. Noch nie hatte sie sich so lange Zeit im Tempel des Lichts nicht sehen lassen, und Domaris machte sich bestimmt Sorgen um sie - zumindest würde sie sich nach ihr erkundigen.
Riveda beschwichtigte ihre Ängste ein bisschen.
»Ich habe vorgesorgt«, sagte er. »Ich habe Cadamiri erzählt, du seiest vom Meeresdeich gefallen und hättest dich an einem der Signalfeuer verbrannt; das ist gleichzeitig eine Erklärung für meine eigenen Verletzungen.« Er streckte die Hände aus, die jetzt frei von Verbänden, aber schrecklich vernarbt und zu steif waren, um jemals ihre alte Geschicklichkeit zurückzugewinnen.
»Niemand stellt meine Fähigkeit als Heiler in Frage, Deoris. Deshalb erhob auch niemand Einspruch, als ich sagte, du müssest in Ruhe gelassen werden. Und deine Schwester -« Er kniff die Augen leicht zusammen. »Sie überfiel mich heute in der Bibliothek. Ja, sie macht sich Sorgen um dich, und ehrlich gesagt, Deoris, mir fiel kein Grund ein, warum sie dich nicht sehen dürfte - deshalb wird es besser sein, wenn du morgen diesen Ort verlässt. Du musst mit ihr sprechen und sie beruhigen, denn sonst -« Er legte eine schwere Hand auf ihren Arm. »Sonst könnten die Wächter uns auf die Spur kommen. Erzähle Domaris, was du willst, mir ist es gleich, nur - was du auch tust, Deoris, falls du nicht willst, dass ich sterbe wie ein Hund, lass nicht einmal Domaris die Narben auf deiner Brust sehen, bis sie vollständig verheilt sind. Und, Deoris, wenn deine Schwester darauf besteht, musst du vielleicht in den Tempel des Lichts zurückkehren.
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