Das Licht Von Atlantis
Mir wird es sehr schwer, dich wegzuschicken, und ich würde es auch nicht tun, aber das Ritual verbietet es den Töchtern der Lichtgeborenen, unter Graumänteln zu leben. Das ist ein altes Gesetz und wird selten rigoros befolgt; immer wieder ist es ignoriert worden. Aber Domaris erinnerte mich daran, und ich wage es nicht, dich in Gefahr zu bringen, indem ich sie erzürne.«
Deoris nickte stumm. Sie hatte gewusst, dass dies Zwischenspiel nicht ewig dauern konnte. Trotz aller Schmerzen, aller Schrecken und ihrer neuen und mysteriösen Furcht vor Riveda war dies eine Art Idyll gewesen, im Nichts schwebend und eingehüllt in die unerwartete Gewissheit über Rivedas Nähe und Liebe. All das gehörte nun schon der Vergangenheit an.
»Du wirst unter dem Schutz deiner Schwester am sichersten sein. Sie liebt dich, und sie wird dir wohl keine Fragen stellen.« Riveda nahm ihre Hand und saß lange Zeit, ohne sich zu bewegen oder zu sprechen. Endlich sagte er: »Ich habe dir einmal gesagt, Deoris, dass ich kein Mann bin, dem man trauen sollte. Ich glaube, dass ich dir das inzwischen bewiesen habe.« Der bittere, mutlose Ton war wieder in seiner Stimme. Dann fragte er vorsichtig: »Bist du immer noch meine Priesterin? Ich habe das Recht verwirkt, dir zu befehlen, Deoris. Ich biete dir an, dich freizugeben, wenn du es wünschst.«
Wie sie es vor Jahren getan hatte, ließ Deoris seine Hand los, fiel vor ihm auf die Knie und drückte ihr Gesicht in seine Kutte. Sie flüsterte: »Ich habe dir gesagt, dass ich für dich allem trotzen werde. Warum glaubst du mir nie?«
Riveda zog sie behutsam hoch. »Etwas bleibt noch zu tun«, stellte er mit leiser Stimme fest. »Du hast so viel erlitten, und ich - ich würde dir das nicht zumuten, aber - wenn wir es nicht heute nacht tun, muss der volle Zyklus eines Jahres vergehen, bevor wir es von neuem versuchen können. Heute ist die Nacht des Nadir, die einzige Nacht, in der ich dies vollenden kann.«
Deoris zögerte keinen Augenblick, auch wenn ihre Stimme etwas bebte. »Ich stehe dir zur Verfügung«, hauchte sie die rituelle Antwort der Graumäntel.
Ein paar Stunden später kam die alte Taubstumme. Sie kleidete Deoris aus, badete sie, vollzog das Reinigungsritual an ihr und legte ihr merkwürdige Kleider an, die Riveda geschickt hatte. Zuerst eine lange, weite Robe aus durchsichtigem Leinen, darüber einen Rock aus steifer, bestickter Seide, mit Symbolen geschmückt, über deren Bedeutung Deoris sich nicht ganz klar war. Ihr dichtes langgewachsenes Haar wurde mit einem silbernen Stirnband geschmückt, ihre Füße mit dunkler Farbe bemalt. Als die Taubstumme mit dieser letzten Arbeit fertig war, kehrte Riveda zurück. Deoris vergaß ihren eigenen ungewöhnlichen Aufzug vor Erstaunen über die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war.
Sie hatte ihn nie anders gekleidet gesehen als in die faltenreiche graue Robe oder den einfacheren grauen Kittel, den er bei magischen Arbeiten trug. Heute Abend flammte er in grellen Farben, die ihm ein barbarisches, finsteres, furchterregendes Aussehen gaben. Sein silberblondes Haar leuchtete unter einem mit Hörnern gezierten Diadem hervor, das sein Gesicht teilweise verbarg. Er trug einen Rock, scharlachrot wie ihr eigener, vor dessen schwarzen Symbolen Deoris verlegen die Augen abwandte: Die Embleme waren legitime magische Symbole, aber zusammen mit den Ornamenten ihrer Kleidung ergaben sie obszöne Muster. Unter dem scharlachroten Überrock trug Riveda eine engsitzende Tunika, die blau eingefärbt war - das war für Deoris die größte Ungeheuerlichkeit, denn Blau war die der Caratra geheiligte Farbe und nur Frauen vorbehalten. Sie war nicht imstande, den Blick auf seinen Körper zu richten, und ihr Gesicht glühte blutrot... Über dem Ganzen trug er den losen Magiermantel, den er schließen und so zum Schwarzmantel machen konnte. Als die Röte aus Deoris' Gesicht zurückwich, lächelte Riveda streng.
»Du denkst nicht, Deoris! Du reagierst nur auf die abergläubischen Vorstellungen deiner Kindheit. Komm - was habe ich dich über Schwingungen und Farben gelehrt?«
Die Ermahnung machte sie noch verlegener. »Rot vitalisiert und stimuliert«, rezitierte sie murmelnd, »wohingegen Blau Ruhe und Frieden erzeugt und alle erregten und fieberhaften Zustände mildert. Schwarz absorbiert und verstärkt Schwingungen.«
»So ist's schon besser.« Riveda nickte beifällig. Dann prüfte er kritisch ihr Kostüm und war damit zufrieden. »Nur eins fehlt
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