Das Licht Von Atlantis
Käfig mit ihrem roten Vogel. Das kleine Tier lag still am Boden, das rote Federkleid matt und verdrückt. Erschrocken riss Deoris die Käfigtür auf und nahm den winzigen Leichnam mit einem leisen Schmerzensschrei in die Hand.
Hilflos drehte sie den Vogel auf ihrer Handfläche hin und her. Sie weinte beinahe. Sie hatte ihn geliebt, er war das letzte Geschenk gewesen, das Domaris ihr gemacht hatte, bevor sie sich so veränderte - doch was war geschehen? Es war keine Katze da, die ihn hätte zerreißen können, und das Vögelchen war auch nicht zerrissen worden. Deoris sah in den Käfig und entdeckte, dass das irdene Wasserschüsselchen leer war und nur noch ein oder zwei Samenkörner in dem Schmutz auf dem Boden lagen.
Als Elara plötzlich eintrat, erschreckte sie. Deoris drehte sich um und beschuldigte die kleine Frau wütend: »Du hast meinen Vogel vergessen, und nun ist er tot, tot!«
Elara trat ängstlich einen Schritt zurück. »Welchen Vogel meinst du? Aber - ich wusste doch nicht -«
»Lüg mich nicht an, du elende Schlampe!« schrie Deoris und schlug Elara unbeherrscht ins Gesicht.
»Deoris!« sagte eine erschrockene und zugleich zornige Stimme. Domaris stand in der Tür, blass vor Ärger. »Deoris, was hat dies - dies Benehmen zu bedeuten?«
Noch nie hatte sie so unfreundlich mit Deoris gesprochen. Das Mädchen hob die Hand zum Mund, plötzlich von Schuldbewusstsein und Furcht erfüllt. Feuerrot im Gesicht und sprachlos stand sie da und Domaris wiederholte: »Was geht hier vor? Sagst du es mir selbst oder muss ich Elara fragen?«
Deoris brach zornig in Tränen aus. »Sie hat meinen Vogel vergessen, und jetzt ist er tot!« würgte sie hervor.
»Das ist weder ein Grund noch eine Entschuldigung.« Domaris war immer noch ärgerlich. »Es tut mir sehr leid, Elara. Meine Schwester wird sich bei dir entschuldigen.«
»Was?« fragte Deoris ungläubig. »Das werde ich nicht tun!«
Domaris zwang sich, ruhig zu bleiben. »Wenn du mein eigenes Kind und nicht meine Schwester wärst, bekämst du Schläge! Noch nie in meinem Leben habe ich mich so geschämt!« Deoris wandte sich zur Flucht, doch bevor sie mehr als ein paar Schritte getan hatte, fasste Domaris sie am Handgelenk und hielt sie fest. »Du bleibst hier!« befahl sie. »Glaubst du, ich lasse dir durchgehen, dass du mir ungehorsam bist?«
Deoris riss sich los, bleich und wütend. Aber sie stammelte die verlangte Entschuldigung.
In Elaras ruhigem Gesicht röteten sich die Fingermale, die ihr Deoris beigebracht hatte. Ihre Stimme zeigte Würde, die unerschütterliche Haltung der demütigen Dienerin. »Es tut mir wirklich leid um deinen Vogel, kleine Herrin, aber die Sorge für ihn war nicht mir anvertraut; ich wusste nichts davon. Habe ich jemals etwas vergessen, das du mir aufgetragen hattest?«
Elara ging, und Domaris sah ihre Schwester beinahe verzweifelt an. »Was ist nur über dich gekommen, Deoris?« fragte sie endlich. »Ich kenne dich nicht mehr wieder.«
Deoris blickte weiter mürrisch zu Boden. Sie stand unbeweglich da, seit sie ihre »Entschuldigung« gemurmelt hatte.
»Mädchen«, sagte Domaris, »auch mir tut es leid um deinen Vogel - aber ich hätte dir ein Dutzend anderer schenken können, und Elara ist immer freundlich zu dir gewesen! Es wäre schlimm genug, stünde sie auf einer Stufe mit dir, aber wie kannst du nur eine Dienerin schlagen?« Sie schüttelte den Kopf. »Was soll ich bloß mit dir anfangen?«
Deoris gab immer noch keine Antwort. Domaris sah in den offenen Käfig. »Ich weiß nicht, wer schuld daran ist.« Ihr Blick wanderte zu Deoris zurück. »Aber wenn es Nachlässigkeit war, darfst du sie niemandem anlasten als dir selbst.«
Deoris murmelte bockig: »Ich bin nicht hier gewesen.«
»Das verringert deinen Fehler nicht.« Keine Spur von Erbarmen lag in Domaris' Stimme. »Warum hast du niemandem die Sorge für den Vogel übertragen? Jetzt kannst du auch niemanden dafür tadeln. Deine eigene Vergesslichkeit hat dein Vögelchen das Leben gekostet! Hast du denn gar kein Pflichtgefühl?«
»Musste ich nicht an genug anderes denken?« Tränen strömten über das jammervolle Gesicht des Mädchens. »Wenn dir wirklich etwas an mir läge, hättest du mich daran erinnert!«
»Muss ich dein ganzes Leben lang die Verantwortung für dich übernehmen?« gab Domaris in einem so wütenden Ton zurück, dass Deoris vor Schreck aufhörte zu weinen. Der Anblick ihres entsetzten Gesichts stimmte Domaris milder. Sie nahm Deoris den
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