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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Vergangenheit zusammenhing ... mit der Dunkelzeit.
    »Hat es mit dem zu tun, was Polyphemos mir einst erzählte?«, fragte sie vorsichtig.
    »Ja.« Der Zyklop nickte.
    »Er behauptete, dass ich Inanna wäre«, fuhr Sarah flüsternd fort, um dann zögernd die alles entscheidende Frage auszusprechen: »Gehöre ... bin auch ich eine der Ersten? Trage auch ich eine wiedergeborene Seele in meiner Brust ...?«
    »Sarah!«, rief Hingis entsetzt, dem das entschieden zu viel war. Aber die Worte waren gesagt, und aller Augen richteten sich wissbegierig auf den Zyklopen.
    »Ich vermute es«, gestand dieser leise.
    »Du vermutest es?«
    »Es ist der Quell unserer Hoffnung, dass Sie die rechtmäßige Erbin sind, Lady Kincaid. Sie und niemand sonst.«
    »W-was bedeutet das? Ich verstehe nicht ...«
    »Nur wer würdig ist, darf die Pforte nach Shambala durchschreiten«, wiederholte Hieronymos die Worte des Abts.
    »Und - du glaubst, dass ich das bin?«
    »Nicht nur ich glaube das. Auch Polyphemos war dieser Ansicht, sonst hätte er nicht sein Leben für Sie geopfert, ebenso wie Gardiner Kincaid und Maurice du Gard.«
    »Maurice ...« Den Namen des Freundes zu hören und sich vorzustellen, dass auch er von diesen Dingen gewusst, sie ihr jedoch absichtlich verschwiegen hatte, schmerzte Sarah. Sie beschloss, ihre Gedanken auf das Hier und Jetzt zu beschränken. »Also ist es wahr?«, wollte sie wissen. »Trage auch ich das Vermächtnis der Ersten in mir, genau wie Kamal? Ist das der Grund für unsere Seelenverwandtschaft?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand der Zyklop bedauernd. »In jenen Tagen ist viel geschehen.«
    »Wovon sprichst du? Bitte sag es mir«, flehte Sarah. »Mein Leben lang habe ich versucht, meine Vergangenheit zu ergründen, aber es ist mir nie gelungen. Kannst du mein Gedächtnis sein und mir verraten, was damals passiert ist?«
    »Das würde ich gerne, Mylady, aber ich bin nicht dabei gewesen. Polyphemos war einst Ihr Leibwächter. Leider kann er uns nichts mehr verraten.«
    »Dann ... dann werde ich wieder einmal nicht erfahren, wer ich bin und woher ich komme?«, fragte Sarah.
    »Vielleicht doch«, wandte Abt Ston-Pa ein. »Vergessen Sie nicht, dass es uns durch das Ritual des trong-jug möglich ist, ein Bewusstsein auf das andere zu übertragen. Diese Fertigkeit kann auch dazu benutzt werden, um eine Seele mit einer anderen zu verschmelzen und in ihre verborgensten Winkel zu blicken. Wenn Sie bereit wären, sich mir anzuvertrauen ...«
    »Das bin ich«, erklärte Sarah ohne Zögern. »Wenn ich nur endlich Aufschluss bekomme.«
    »Davor muss ich warnen«, wandte Ufuk ein. »Wenn Sarah das ist, was wir vermuten, könnten die Abgründe, die in ihr lauern, noch um vieles dunkler sein, als eines einzelnen Menschen Verstand ertragen kann. Bedenken Sie, ehrwürdiger Abt, wie viele Jahrhunderte, wie viel Leid und Tod sie gesehen haben würde, wenn unser Verdacht zutrifft.«
    »Dennoch haben wir keine andere Wahl«, beharrte der Mönch. »In der Überlieferung heißt es, dass das Weltenende naht, wenn der Mig-shár zurückkehrt. Kein Unwissender darf die Pforte Shambalas durchschreiten, keines Unreinen Fuß den heiligen Boden beschmutzen - andernfalls drohen der Menschheit Tod und Verderben. Wir müssen wissen, ob Lady Kincaid das Erbe der Ersten in sich trägt.«
    Sarah schaute Ufuk betroffen an. Die Katastrophe, die der alte Ammon hatte kommen sehen - so würde sie sich also bewahrheiten. Der Junge erinnerte sich offensichtlich an das Gespräch im Haus des Weisen, denn er senkte betreten den Blick.
    »Sie haben recht, ehrwürdiger Abt«, sagte er dann. »Vielleicht ist es bisweilen nötig, der Vergangenheit ihre Geheimnisse zu entreißen, anstatt darauf zu warten, dass sie sich von selbst offenbaren.

5.
     
    S HIPKI -L A , W ESTTIBET
    M AI 1865
     
    Eisiger Wind blies von den Hängen herab und ließ die Schneeflocken in dichten Wirbeln tanzen, gerade so, als wollte sich der Winter dem Gang der Natur widersetzen und gegen die nahende Wärme protestieren.
    Es war nur eine kleine Karawane, die sich die verschneite Straße herauf und über die Passhöhe gequält hatte: drei Yaks, vier Bergponys und ein Dutzend in Fellmäntel und -mützen gekleidete Gestalten, die inmitten von Schneetreiben und Nebel nur als verschwommene Kleckse auszumachen waren. An der Spitze des Zuges, Seite an Seite mit dem tibetischen Führer, schritt der Mann, der die Karawane befehligte.
    Er war ein angrezi 48 , wie er im Buche stand, wohlhabend und

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