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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Bruderschaft?«, verlangte sie zu wissen.
    »Wer weiß?« Hieronymos zuckte mit den breiten Schultern. »Die Arme der Bruderschaft sind wie die eines Kraken, und sie reichen in viele Länder. Anderseits ist auch der Unwissende ein Gegner des Weisen.«
    Sarahs Mund wurde zu einem dünnen Strich in ihrem Gesicht. Nach Verlassen der ›Strela‹ hatten sie inständig gehofft, dem zwielichtigen Russen niemals wieder zu begegnen, aber diese Hoffnung war wohl vergeblich gewesen. Abramowitsch war hartnäckiger, als sie vermutet hatte, und er schien ganz bestimmte Pläne zu verfolgen.
    »Ich Idiot«, schalt sich Friedrich Hingis selbst. »Wieso nur bin ich so vertrauensselig?«
    »Du wolltest mir helfen«, versuchte Sarah ihn zu beruhigen. »Mach dir keine Vorwürfe deswegen.«
    »Das sagt sich leicht.« Er lachte freudlos auf. »Du bist es ja auch nicht gewesen, der den Feind geradewegs auf unsere Spur gebracht hat. Im Gegenteil - du hast mich von Anfang an vor Abramowitsch gewarnt. Nun befinden sich el-Hakim und der junge Ufuk in seiner Gewalt. Ich könnte mich ...«
    »Wenn es Sie tröstet, Doktor, kann ich Ihnen sagen, dass der Russe im Augenblick unsere geringste Sorge ist«, erwiderte Hieronymos.
    »Was soll das heißen?«
    »Haben Sie eine Ahnung, was für ein Ort dies ist?«, fragte der Einäugige dagegen. Sarah und Hingis tauschten einen Blick. Offenbar war der Moment gekommen, in dem sie einige Antworten erhalten würden.
    »Es ist ein Tempel«, entgegnete Sarah, »eine Kultstätte der Skythen, offenbar der Verehrung der Arimaspen gewidmet. Und wir wissen, dass Alexander der Große diesen Ort besucht hat.«
    »Sehr gut«, erkannte der Zyklop an. »Aber kennen Sie auch den Grund für diesen Besuch?«
    »Nun - wir nahmen an, dass es mit der Bruderschaft in Verbindung steht, mit dem Einen Auge ...«
    »Lady Kincaid.« Hieronymos blieb stehen und nutzte eine breite Stelle im Stollen, um sich umzudrehen und ihr aus seinem einzelnen Auge einen düsteren Blick zuzuwerfen. »Was Sie hier sehen, sind die Wurzeln meines Volkes.«
    »Die Wurzeln deines Volkes?« Sarah konnte an nichts anderes denken als an die Galerie des Grauens. »Dann ist dieser Tempel euer Ursprung? Ihr seid alle das Ergebnis von ... von ...«
    »Nein«, entgegnete Hieronymos zu ihrer unendlichen Erleichterung, während er seinen Weg fortsetzte. »Was Sie gesehen haben, war nur ein Schatten, Mylady. Ein frevlerischer Versuch, es der Schöpfung gleichzutun.«
    »Der Schöpfung?«, hakte Hingis nach. »Soll das heißen, die Einäugigkeit wäre natürlichen Ursprungs?«
    »Ist Ihre Einhändigkeit natürlichen Ursprungs, Doktor?«, fragte der Zyklop dagegen. »Das eine Auge ist ein Zeichen - genau wie ihre verbliebene Hand.«
    »Der Vergleich hinkt wohl ein wenig. Eine Hand zu verlieren scheint mir weniger ein Zeichen als ein Schicksalsschlag zu sein.«
    »Genau das meine ich, Doktor. Die Arimaspen waren ausersehen. Ausersehen vom Schicksal.«
    »Die Arimaspen?«, fragte Sarah. »Nennt ihr euch so?«
    »Es ist nur ein weiterer Name, den uns die Menschen gegeben haben. Andere nannten uns Zyklopen und sahen in uns nichts anderes als Monstren. Wieder andere, wie die Erbauer dieses Tempels, missverstanden unseren Auftrag und verehrten uns selbst als Gottheiten. Dabei sollten wir Mittler zwischen Himmel und Erde sein.«
    »Das hat mir auch Polyphemos erzählt«, bestätigte Sarah. »Er sagte mir, dass vor langer Zeit drei Götter auf die Erde gekommen seien und die Zyklopen zu ihren Dienern bestellt hätten.«
    »Das ist wahr. Bis zu jener Zeit waren wir gewöhnliche Menschen, die in den Tälern lebten und unsere Felder bestellten. Doch in der Nacht, da die Ersten an Fäden aus gleißendem Licht herabkamen, ging eine Veränderung mit meinem Volk vor sich, und fortan trug es das Eine Auge - das Zeichen der Ersten.«
    »Die indischen puranas berichten, dass die Götter einst an den Strahlen der Sonne herabstiegen«, erinnerte sich Sarah an das, was el-Hakim ihr erzählt hatte.
    »Viele Völker haben ihre Version dieser Geschichte, Lady Kincaid«, erwiderte der Zyklop. »Daran können Sie erkennen, dass es sich um die Wahrheit handelt, verborgen in den Mythen der Welt.«
    »Was ist damals weiter geschehen?«, wollte Hingis wissen. »Polyphemos sagte, dass sich die Zyklopen untereinander entzweit hätten, und im Tempel haben wir Wandbilder gesehen, die dies zu bestätigen scheinen.«
    »Es stimmt«, gab Hieronymos zu. »Solange Einheit unter den Ersten währte, lebten

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