Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
Augenhöhlen und der dreieckigen Nasenöffnung. Die nächsten Exemplare wiesen grässliche Verformungen auf, die fraglos durch Einengungen oder verwerfliche chirurgische Eingriffe zustande gekommen waren. Dabei war zu beobachten, dass sich die Position der Augen von Schädel zu Schädel weiter verschob; während die Stirnpartie immer höher und die Nasenwurzel immer schmäler wurde, rückten die Höhlen immer enger zusammen - bis sie schließlich beim achten Schädel zu einer einzigen verschmolzen waren.
    Die nächsten Exponate legten beredtes Zeugnis davon ab, was geschah, wenn die grausige Verwandlung nicht gelang, und allein der Gedanke daran, was die gequälten Besitzer dieser Häupter durchlitten haben mochten, erfüllte Sarah mit unbändiger Trauer. Der letzte Schädel jedoch war makellos geformt, mit hoher Stirn, breiten Wangenknochen und nur einem Auge.
    Das Haupt eines Zyklopen.
    »Sieh an«, knurrte Hingis bitter. »Offenkundig kennen wir nun das Geheimnis der Arimaspen. Sie sind das Ergebnis einer scheußlichen Manipulation, einer Vergewaltigung der Natur, wie sie verabscheuungswürdiger kaum denkbar ist.«
    Sarah nickte. Ihr Begleiter sprach ihr aus der Seele. Aber wie passte ihre grässliche Entdeckung zu den Überlieferungen eines sagenumwobenen Stammes von Einäugigen? Waren die Zyklopen zu allen Zeiten nicht mehr gewesen als das Werk einer frevlerischen Täuschung?
    Ein Stück hartes Eisen, das sich plötzlich in ihren Rücken bohrte, unterbrach ihren Gedankengang.
    »Was ...?«
    »Chände choch und Waffe weg«, sagte eine schneidende Stimme.
    Yuri ...
    Sarah wandte sich halb um, den Colt Frontier noch in der Hand. In Anbetracht der schrecklichen Eindrücke war sie jedoch nicht in der Lage, Gegenwehr zu leisten.
    »Der Revolver«, brachte der Russe in Erinnerung, der mit der Muskete auf sie zielte. »Nicht schießen möchte, aber ich werde tun, wenn Dummcheiten ...«
    »Schon gut«, versicherte Sarah und legte die Waffe nieder. Ihr Verstand hatte Mühe, mit den Ereignissen Schritt zu halten, was auch am beißenden Gestank des Formaldehyds liegen mochte. Hingis erfasste die Situation schneller.
    »Yuri!«, entfuhr es ihm voller Entrüstung. »Was verdammt noch mal ist in Sie gefahren?«
    »Die Not, die pure Not«, erklärte ihr Führer mit entschuldigendem Grinsen, während er weiter auf die beiden zielte. »Ich chabe fünf Kinder zu ernähren - und die andere Seite zahlt einfach besser.«
    »Die andere Seite?«, schnappte Hingis. »Sie ... Sie arbeiten für die Bruderschaft?«
    »Von irgendwelchen Briederchen weiß ich nichts, mein lieber Chektor, und ich weiß auch nicht, was hier wollen. Yuri ist nur ein treuer Sohn von Mitterchen Russland und tut, was man ihm ...«
    Weiter kam er nicht.
    Denn aus dem Schatten, der plötzlich hinter ihm emporwuchs, drohend wie ein Unwetter, erwuchs eine mächtige Faust, die wie ein Blitz herabzuckte und ihn auf den Kopf traf. Yuris Fellmütze dämpfte den Aufprall ein wenig, aber der Hieb war dennoch so stark, dass der Russe wie vom Schlag getroffen niedersank und reglos liegen blieb.
    Die dunkle Gestalt, die noch immer hinter ihm stand, schritt über den Bewusstlosen hinweg in den Lichtkreis der Fackeln. Sarah und Hingis schnappten nach Luft, als sie in das einäugige Gesicht eines Zyklopen blickten.
    »Guten Abend, Mylady«, grüßte er mit tiefer Stimme und deutete eine Verbeugung an.
    »P-Polyphemos?«, fragte Sarah eingeschüchtert.
    »Polyphemos ist tot«, erklärte der Einäugige, dessen Körpergröße gut zweieinhalb Yards betragen mochte. »Sie selbst haben gesehen, wie er starb. Mein Name ist Hieronymos.«
    »H-Hieronymos.« Sarah bebte am ganzen Leib. So willkommen ihr das Eingreifen des Einäugigen gewesen war - ganz würde sie sich wohl nie an ihre Existenz gewöhnen. »Und wie ...?«
    »Nicht jetzt«, erklärte er in einem Tonfall, der jeden Widerspruch von vornherein ausschloss. »Wir müssen diesen düsteren Ort rasch verlassen. Feinde kommen, schon sehr bald.«
    »Was für Feinde?«
    »Spielt das denn eine Rolle? Der Wissende hat viele Gegner, Lady Kincaid. Wenn Sie am Leben bleiben wollen, dann folgen Sie mir.«
    Sarah und Hingis tauschten einen Blick. Beide standen zu sehr unter dem Schock der Ereignisse, als dass sie widersprochen hätten.
    »Was ist mit ihm?«, erkundigte sich stattdessen Hieronymos, auf den bewusstlosen Yuri deutend. »Soll er leben oder sterben?«
    »Ist er ein Täter oder nur ein willenloses Werkzeug?«
    »Letzteres«, gab

Weitere Kostenlose Bücher