Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
legte ihn auf das Papier. Eine schwarze Lache quoll aus der Feder, und er bewegte sie hin und her, bis sich der Tintenklecks ausbreitete.
»Er hat gesagt, dass Sie das Boot melden wollten und dass er Sie daran gehindert hat. Ist das richtig?«
Isabel betrachtete ihre Hände.
»Er sagt, er habe Ihnen nicht verzeihen können, dass Sie ihm keine Kinder geschenkt haben, und habe die Sache deshalb selbst in die Hand genommen.«
Die Worte trafen sie bis ins Mark. Hatte Tom in seiner Lüge die Wahrheit offenbart?
»Haben Sie denn nicht versucht, ihm Vernunft beizubringen?«, erkundigte sich Knuckey.
»Wenn Tom Sherbourne denkt, dass er das Richtige tut, ist es unmöglich, ihn umzustimmen«, erwiderte sie, was auch den Tatsachen entsprach.
»Hat er Sie bedroht?«, hakte er nach. »Hat er Sie körperlich misshandelt?.
Isabel schwieg. Die in der schlaflosen Nacht aufgestaute Wut meldete sich wieder. Also klammerte sie sich an ihr Schweigen wie an einen Felsen.
Knuckey hatte schon oft erlebt, dass die Ehefrauen und Töchter von Holzfällern, eingeschüchtert von einem Blick dieser baumlangen Kerle, gehorchten. »Hatten Sie Angst vor ihm?«
Sie presste die Lippen zusammen und gab kein Wort von sich.
Knuckey stützte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Isabel, dem Gesetzgeber ist klar, dass eine Frau sich manchmal nicht gegen ihren Mann zur Wehr setzen kann. Strafrechtlich können Sie für nichts verantwortlich gemacht werden, wozu er Sie gezwungen oder woran er Sie gehindert hat. Also brauchen Sie sich in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen. Niemand wird Sie für seine Verbrechen bestrafen. Und jetzt muss ich Sie etwas fragen und möchte, dass Sie gründlich darüber nachdenken. Vergessen Sie nicht, dass Sie nicht in Schwierigkeiten kommen, wenn er Druck auf Sie ausgeübt hat.« Er räusperte sich. »Laut Tom war Frank Roennfeldt bereits tot, als das Boot angespült wurde.« Er sah ihr in die Augen. »Stimmt das?«
Isabel erschrak. »Natürlich stimmt das!«, hörte sie sich schon sagen. Doch noch ehe sie den Mund aufmachen konnte, fiel ihr wieder Toms Verrat ein. Überwältigt vom Abschied von Lucy, von Wut und von schierer Erschöpfung, schloss sie die Augen.
»Stimmt das, Isabel?«, beharrte der Polizist leise.
Sie starrte auf ihren Ehering. »Ich habe nichts zu sagen«, entgegnete sie und brach in Tränen aus.
Langsam trank Tom den Tee und beobachtete, wie sich die Dampfwolken in der warmen Luft auflösten. Durch die hohen Fenster des spartanisch möblierten Raums strömte die Nachmittagssonne herein. Als er sich die Bartstoppeln kratzte, wurden Erinnerungen an eine Zeit wach, in der es unmöglich gewesen war, sich zu rasieren, geschweige denn, sich zu waschen.
»Möchten Sie noch einen?«, erkundigte Knuckey sich ruhig.
»Nein, danke.«
»Rauchen Sie?«
»Nein.«
»Also. Am Leuchtturm wird ein Boot angeschwemmt. Aus heiterem Himmel.«
»Das habe ich Ihnen doch schon auf Janus erklärt.«
»Sie werden es mir so oft erklären, wie ich es für nötig halte! So, und Sie haben das Boot gefunden?«
»Ja.«
»Und es war ein Baby darin.«
»Ja.«
»In welchem Zustand war das Baby?«
»Gesund. Es hat geweint, war aber gesund.«
Knuckey machte sich Notizen. »Und dann war da auch noch ein Mann im Boot.«
»Eine Leiche.«
»Ein Mann«, beharrte Knuckey.
Tom betrachtete ihn und überlegte, was diese Verbesserung wohl zu bedeuten hatte.
»Sie sind daran gewöhnt, auf Janus der Alleinherrscher zu sein, oder?«
Tom ließ den Spott auf sich wirken, der jedem, der das Leben in einem Leuchtturm kannte, ein Schmunzeln entlockt hätte, antwortete aber nicht.
»Sie glauben wohl, mit allem durchkommen zu können. Schließlich ist ja sonst niemand da.«
»Es hatte nichts damit zu tun, mit etwas durchzukommen.«
»Und so haben Sie beschlossen, das Baby zu behalten. Isabel hatte ihres verloren. Niemand würde es je erfahren. Richtig?«
»Ich habe es Ihnen doch schon einmal gesagt: Ich habe die Entscheidung getroffen und Isabel dazu gebracht mitzumachen.«
»Sie schlagen Ihre Frau, richtig?«
Tom starrte ihn an. »Glauben Sie das wirklich?«
»Hat sie deshalb das Baby verloren?«
Entsetzen malte sich auf Toms Gesicht. »Hat sie das behauptet?«
Knuckey schwieg, worauf Tom tief Luft holte. »Hören Sie, ich habe Ihnen doch schon erzählt, was passiert ist. Sie wollte es mir ausreden. Ich bin schuldig an allem, was Sie mir vorwerfen. Also bringen wir es hinter uns und lassen meine Frau außen
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