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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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vor.«
    »Versuchen Sie nicht, mir Vorschriften zu machen«, herrschte Knuckey ihn an. »Ich bin nicht Ihr Adjutant. Ich entscheide, was ich tue, und zwar dann, wenn ich den Zeitpunkt für geeignet halte.« Er schob seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Der Mann im Boot …«
    »Was ist mit ihm?«
    »In welchem Zustand war er, als Sie ihn fanden?«
    »Er war tot.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ich habe im Leben genug Leichen gesehen.«
    »Warum soll ich Ihnen das glauben?«
    »Welchen Grund hätte ich zu lügen?«
    Knuckey hielt inne und ließ die Frage im Raum hängen, damit sein Gefangener das Gewicht der Antwort spürte. Tom rutschte auf seinem Stuhl herum. »Genau«, meinte Knuckey. »Warum sollten Sie lügen?«
    »Meine Frau wird Ihnen bestätigen, dass er tot war, als das Boot angespült wurde.«
    »Dieselbe Frau, die Sie zum Lügen gezwungen haben?«
    »Hören Sie, es ist doch ein Unterschied, ob man ein Kind rettet oder …«
    »… jemanden umbringt?«, unterbrach Knuckey.
    »Fragen Sie sie.«
    »Das habe ich«, entgegnete Knuckey ruhig.
    »Dann wissen Sie ja, dass er tot war.«
    »Ich weiß gar nichts. Sie verweigert die Aussage.«
    Tom fühlte sich wie nach einem Hammerschlag vor die Brust. Er wich Knuckeys Blick aus. »Was hat sie denn gesagt?«
    »Dass sie nichts zu sagen hat.«
    Tom ließ den Kopf hängen. »Ach, du gütiger Himmel«, murmelte er, bevor er erwiderte: »Ich kann nur meine Worte von vorhin wiederholen: Ich habe diesen Mann nie lebendig gesehen.« Er flocht die Finger ineinander. »Wenn ich nur mit ihr sprechen könnte …«
    »Das ist unmöglich. Abgesehen davon, dass es nicht gestattet ist, habe ich den Eindruck, dass sie nicht mit Ihnen reden würde, und wenn Sie der letzte Mensch auf Erden wären.«
    Quecksilber. Faszinierend, aber unberechenbar. Im Leuchtturm konnte es eine Tonne Glas in der Laterne tragen, doch wenn man versucht hätte, ein Tröpfchen mit dem Finger einzufangen, wäre es in alle Richtungen geflogen. Immer wieder fiel Tom dieser Vergleich ein, als er nach Knuckeys Verhör dasaß und über Isabel nachgrübelte. Er erinnerte sich an den Tag der letzten Fehlgeburt, als er versucht hatte, sie zu trösten.
    »Wir schaffen das. Und wenn wir für den Rest unseres Lebens zu zweit bleiben, genügt mir das.«
    Als ihre Blicke sich trafen, ließ ihm ihr Augenausdruck das Blut in den Adern gefrieren, so verzweifelt war er. Sie hatte aufgegeben.
    Er wollte sie berühren, doch sie wich zurück. »Du wirst wieder gesund. Alles wird gut. Hab Geduld.«
    Plötzlich stand sie auf und rannte zur Tür. Kurz krümmte sie sich vor Schmerzen und schleppte sich dann in die Nacht hinaus.
    »Izzy! Um Himmels willen, bleib stehen. Du tust dir noch weh!«
    »Ich tue noch viel mehr als das!«
    Der Mond schwebte an einem warmen, windstillen Himmel. Das lange weiße Nachthemd, das Isabel vier Jahre zuvor in ihrer Hochzeitsnacht getragen hatte, leuchtete wie ein Lampion, als sie, ein weißer Punkt in einem Meer aus Dunkelheit, dastand. »Ich halte das nicht mehr aus!«, schrie sie so laut und schrill, dass die Ziegen aufwachten und mit bimmelnden Glöckchen in ihrem Pferch hin und her liefen. »Ich kann nicht mehr! Gott, warum lässt du mich am Leben, wenn meine Kinder sterben? Am liebsten wäre ich auch tot!« Sie taumelte auf die Klippe zu.
    Er eilte ihr nach und nahm sie in die Arme. »Beruhige dich, Izz.« Doch sie riss sich los und begann zu humpeln, als die Schmerzen zu stark wurden.
    »Sag mir nicht, ich soll mich beruhigen, du dummer, dummer Mann! Es ist nur deine Schuld. Ich hasse diese Insel! Ich hasse dich! Ich will mein Baby zurück!« Der schmale Strahl der Mondsichel hoch über ihnen erreichte sie nicht.
    »Du wolltest das Kind nicht. Deshalb ist es gestorben. Es hat gemerkt, dass es dir gleichgültig ist!«
    »Komm, Izz. Komm wieder ins Haus.«
    »Du hast keine Gefühle, Tom Sherbourne! Ich weiß nicht, was du mit deinem Herzen gemacht hast, aber du hast es eindeutig nicht mehr in der Brust!«
    Die menschliche Leidensfähigkeit hat Grenzen. Er hatte es oft genug erlebt, Burschen, die voller Tatendrang eingerückt waren, um den Deutschen Saures zu geben. Sie hatten die Bombardierungen, den Schnee und die Läuse überstanden, manchmal sogar jahrelang. Und dann, plötzlich, hatte etwas in ihnen die Schotten dichtgemacht, und sie hatten sich tief in sich zurückgezogen, wo nichts sie mehr erreichen konnte. Manchmal wurden sie auch gewalttätig und stürzten sich mit dem

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