Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Nektar, spürte sie etwas Dunkles hinter sich. Etwas, dessen Anblick sie nicht ertragen konnte. Kaum auszumachen und dennoch grausig, holte es sie in ihren Träumen ein. »Izzy! Izzy, Liebling …«, rief es nach ihr. Doch sie konnte sich nicht umdrehen, und ihre Schultern fuhren nach oben in Richtung Ohren, als wolle sie einer Umarmung entrinnen. Wenn sie aufwachte, stockte ihr der Atem, und ihr war flau im Magen.
Währenddessen missdeuteten Isabels Eltern ihr Schweigen als irregeleitete Loyalität. »Ich kann dazu nichts sagen«, waren ihre einzigen Worte gewesen, als sie nach Hause kam, und sie wiederholte sie stets, sobald Bill und Violet auf Tom und die Geschehnisse zu sprechen kamen.
Die Zellen im rückwärtigen Teil des Reviers dienten für gewöhnlich nur dem Zweck, einen Betrunkenen seinen Rausch ausschlafen zu lassen oder einem gewalttätigen Ehemann Gelegenheit zu geben, zur Vernunft zu kommen und zu versprechen, seine Wut in Zukunft nicht mehr mit den Fäusten auszutoben. Wer gerade Dienst hatte, machte sich meistens nicht einmal die Mühe, die Zellentür abzuschließen, und falls der Gefangene ein Bekannter und in der Schicht nichts los war, saß er oft draußen im Büro und spielte Karten mit den Polizisten, wobei die Vereinbarung galt, dass er nicht versuchen würde, sich aus dem Staub zu machen.
Heute jedoch platzte Harry Garstone fast vor Stolz, denn er hatte endlich einen Schwerverbrecher in Gewahrsam. Es wurmte ihn noch immer, dass er gerade freigehabt hatte, als ein Jahr zuvor Bob Hitching aus Karridale eingeliefert worden war. Der Mann war seit Gallipoli nicht mehr ganz richtig im Kopf gewesen, hatte seinen Bruder von der Nachbarfarm wegen eines Disputs um das Testament ihrer Mutter mit einem Fleischerbeil ins Jenseits befördert und war dafür am Galgen geendet. Und so freute sich Garstone über diese Gelegenheit, endlich einmal strikt nach Vorschrift handeln zu können. Er hatte sogar das Buch mit den Dienstanweisungen hervorgeholt, fest entschlossen, diese buchstabengetreu zu befolgen.
Als Ralph erschien und Tom sprechen wollte, konsultierte der Constable ausführlich die Vorschriften, holte Luft und schob den Kautabak von einer Seite seines kantigen Kiefers zur anderen. »Ich bedaure, Captain Addicott. Ich wünschte, ich könnte Sie vorlassen, aber hier steht …«
»Verschonen Sie mich mit Ihrem Unsinn, Harry Garstone. Sonst rede ich einmal ein Wörtchen mit Ihrer Mutter …«
»Der Wortlaut ist sehr eindeutig und …«
Da die Wände im Revier sehr dünn waren, wurde der Constable von Vernon Knuckeys Stimme unterbrochen, der sich bei Gelegenheiten wie diesen normalerweise die Mühe sparte, von seinem Stuhl aufzustehen. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Garstone. Wir haben einen Leuchtturmwärter in der Zelle, nicht den Polizistenmörder Ned Kelly. Lassen Sie den Mann rein.«
Der Constable musste sich geschlagen geben und klapperte trotzig mit seinem Schlüsselbund, als er Ralph durch eine Tür und dann eine Treppe hinunter und einen dunklen Flur entlang zu den wenigen vergitterten Zellen führte.
In einer davon saß Tom auf einem Feldbett an der Wand. Er stellte fest, dass Ralph erschöpft und blass aussah.
»Tom«, sagte der Kapitän.
»Ralph.« Tom nickte.
»Ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Hilda lässt dich grüßen«, begann er. »Und Bluey auch …«
Schweigend saßen die beiden da. »Wenn dir lieber ist, dass ich gehe …«, meinte Ralph nach einer Weile.
»Nein, es ist schön, dich zu sehen. Ich habe nur nicht viel zu sagen, tut mir leid. Ist es in Ordnung, wenn wir eine Weile nicht reden?«
Obwohl Ralph unzählige Fragen, seine eigenen und die seiner Frau, auf der Zunge lagen, verharrte er auf dem wackeligen Stuhl. Der Tag wurde wärmer, und die hölzernen Wände ächzten wie ein Tier, das sich beim Aufwachen streckt. Draußen sangen die Honigfresser und Gartenfächerschwänze. Hin und wieder tuckerte ein Automobil die Straße entlang und übertönte das Zirpen der Grillen und Zikaden.
In Ralphs Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander und arbeiteten sich fast zu seinem Mund vor, doch es gelang ihm, sie nicht auszusprechen. Er setzte sich auf seine Hände, um das Bedürfnis zu unterdrücken, Tom an den Schultern zu packen und ihn zu schütteln. Doch irgendwann konnte er sich nicht mehr beherrschen. »In Gottes Namen, Tom, was ist da los? Was soll das, dass Lucy angeblich das Kind der Roennfeldts ist?«
»Es stimmt.«
»Aber … wie … was zum
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