Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Teufel?«
»Ich habe es bereits der Polizei erklärt, Ralph, und ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe.«
»Ist es das, was du gemeint hast, als wir uns auf Janus unterhalten haben? Dass du etwas wiedergutmachen wolltest?«
»So einfach ist das nicht.« Eine lange Pause entstand.
»Sag mir, was passiert ist.«
»Das ist sinnlos, Ralph. Ich habe eine falsche Entscheidung gefällt, und jetzt muss ich dafür bezahlen.«
»Um Gottes willen, Junge, so lass dir doch von mir helfen!«
»Du kannst nichts tun. Da muss ich allein durch.«
»Was immer du auch angestellt hast, du bist ein guter Mensch, und ich lasse nicht zu, dass du untergehst.« Er stand auf. »Ich besorge dir einen fähigen Anwalt. Mal sehen, was der davon hält.«
»Ein Anwalt kann da auch nicht viel unternehmen, Ralph. Ein Priester wäre besser.«
»Das ist doch alles Unsinn, was die von dir behaupten!«
»Nicht alles, Ralph.«
»Dann sag mir ins Gesicht, dass alles nur deine Idee war! Dass du Isabel bedroht hast! Sieh mir in die Augen, und dann lasse ich dich in Ruhe, Junge.«
Tom betrachtete die Maserung der Holzwand.
»Schau!«, rief Ralph aus. »Das kannst du nämlich nicht!«
»Schließlich hatte ich die Verantwortung, nicht sie.« Tom musterte Ralph und überlegte, ob er ihm mehr anvertrauen konnte, ohne Isabel zu gefährden. »Izzy hat genug gelitten. Sie hat keine Kraft mehr«, meinte er schließlich.
»Dass du dich opferst, ist keine Lösung. Die Sache muss ordentlich aufgeklärt werden.«
»Da gibt es nichts aufzuklären, Ralph, und ich nehme auch nichts zurück. Das bin ich ihr schuldig.«
Wunder waren also möglich. In den Tagen nach Graces Rückkehr stellte Reverend Norkells fest, dass seine Gemeinde wieder wuchs, insbesondere, was die weiblichen Mitglieder anging. Viele Mütter, die die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihren geliebten Söhnen schon aufgegeben hatten, und zahlreiche Kriegerwitwen begannen wieder, inbrünstig zu beten, da sie sich nicht mehr albern vorkamen oder sich auf verlorenem Posten wähnten. Der heilige Judas hatte noch nie so viel Aufmerksamkeit erfahren. Der dumpfe Schmerz der Trauer, in Form von brennender Sehnsucht zum Leben erweckt, wurde von einem längst aufgebraucht geglaubten Heilmittel gelindert – der Hoffnung.
Gerald Fitzgerald saß Tom gegenüber. Der Tisch zwischen ihnen war mit Papieren und den rosafarbenen Bändern übersät, mit denen die Klageschrift zusammengehalten war. Toms Anwalt war klein gewachsen und kahlköpfig und wirkte so zäh und drahtig wie ein Jockey im Dreiteiler. Er war am Vorabend mit dem Zug aus Perth eingetroffen und hatte beim Abendessen die Akten im The Empress gelesen.
»Sie stehen offiziell unter Anklage. Da in Partageuse alle zwei Monate ein Richter Verhandlungen abhält und er gerade erst hier war, bleiben Sie in Haft, bis er wiederkommt. Sie können sich verdammt glücklich schätzen, hier in Untersuchungshaft zu sitzen und nicht in Albany, so viel steht fest. Wir werden die Zeit nutzen, uns auf die Anhörung vorzubereiten.«
Tom sah ihn fragend an.
»Das ist der Termin, bei dem entschieden wird, ob Sie sich vor Gericht verantworten müssen. Falls ja, werden Sie zur Hauptverhandlung nach Albany oder nach Perth überstellt. Das hängt davon ab.«
»Wovon?«, wollte Tom wissen.
»Lassen Sie uns die Anklagepunkte einmal durchgehen«, entgegnete Fitzgerald. »Dann werden Sie es erfahren.« Wieder studierte er die Liste, die vor ihm lag. »Westaustralisches Strafgesetzbuch. Gesetz für Staatsbedienstete des Commonwealth. Westaustralische Vorschriften für die Leichenschau. Strafgesetzbuch des Commonwealth. Das ist ein richtiges Kuddelmuddel aus Anklagen des Bundesstaats und des Commonwealth.« Lächelnd rieb er sich die Hände. »Und das gefällt mir sehr.«
Tom zog die Augenbrauen hoch.
»Das heißt nämlich, dass die im Trüben fischen und nicht ganz sicher sind, wegen welcher Vergehen sie Sie überhaupt belangen können«, fuhr der Anwalt fort. »Vernachlässigung der Dienstpflicht, das macht zwei Jahre und eine Geldstrafe. Gesetzeswidrige Beseitigung einer Leiche, zwei Jahre Zwangsarbeit. Versäumnis, einen Todesfall zu melden … Nun«, höhnte er, »das wäre eine Geldbuße von zehn Pfund. Falsche Angaben bei der Meldung einer Geburt – zwei Jahre Zwangsarbeit und zweihundert Pfund Geldstrafe.« Er kratzte sich am Kinn.
»Was ist mit … dem Vorwurf der Kindesentziehung?«, fragte Tom. Er benutzte das Wort zum ersten Mal und zuckte
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