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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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nicht ertragen, wie sie sich fühlen muss, Ma«, sagte Isabel, als die beiden Frauen zusammen auf Rattanstühlen unter der Regenrinne hinter dem Haus saßen. »Sicher vermisst sie uns und ihr Zuhause. Das arme Kind begreift bestimmt nicht, was da geschieht.«
    »Ich weiß, Liebes, ich weiß«, erwiderte ihre Mutter.
    Violet hatte eine Tasse Tee gekocht und sie Isabel auf den Schoß gestellt. Ihre Tochter hatte sich schrecklich verändert – unter den eingesunkenen Augen lagen dunkle Schatten, und ihr Haar war stumpf und verfilzt.
    Isabel sprach den Gedanken aus, der sie schon lange beschäftigte, vielleicht, um ihn besser verstehen zu können. »Es hat nie eine Beerdigung gegeben …«
    »Was meinst du damit?«, fragte Violet. Isabel redete in letzter Zeit viel wirres Zeug.
    »Alle, die ich verloren habe, sind mir einfach entrissen worden und verschwunden. Vielleicht hätte eine Beerdigung etwas geändert. Von Hugh haben wir wenigstens ein Foto von seinem Grab in England. Alfie ist nur ein Name auf einem Kriegerdenkmal. Meine ersten drei Babys – drei, Mum –, für sie wurde nicht einmal ein Kirchenlied gesungen. Und jetzt Lucy …«
    Violet war froh, dass sie ihre Söhne nie hatte beerdigen müssen. Eine Beerdigung war der Beweis des Unabänderlichen. Es bedeutete, dass die Jungen unwiederbringlich tot waren. Und unter der Erde. Es war Verrat. Keine Beerdigung hieß, dass sie vielleicht eines Tages in die Küche spaziert kamen, fragten, was es zum Abendessen geben würde, und mit ihr über das alberne Missverständnis lachten, das dazu geführt hatte, dass sie – nicht zu fassen! – auch nur einen Moment dem Irrtum aufgesessen war, sie könnten für immer verschwunden sein.
    Sie legte sich ihre Worte sorgfältig zurecht. »Liebling, Lucy ist nicht tot.« Als Isabel das mit einem Achselzucken abtat, fuhr ihre Mutter stirnrunzelnd fort. »Das ist alles nicht deine Schuld. Ich werde diesem Mann nie verzeihen.«
    »Ich dachte, dass er mich liebt, Mum. Er hat mir gesagt, ich wäre für ihn das Allerwichtigste auf der Welt. Und dann hat er so etwas Schreckliches getan …«
    Als Violet später die silbernen Rahmen der Fotos ihrer Söhne polierte, ging sie zum x-ten Mal die Situation in Gedanken durch. Wenn man ein Kind erst einmal ins Herz geschlossen hatte, gab es kein Richtig oder Falsch. Sie kannte Frauen, die Kinder von Männern bekommen hatten, die sie verabscheuten oder die ihnen, noch schlimmer, Gewalt angetan hatten. Und dennoch hatten diese Frauen ihr Kind leidenschaftlich geliebt, ganz gleich wie sehr sie auch seinen brutalen Erzeuger hassten. Gegen die Liebe zu einem Baby konnte eine Frau sich nicht wehren, das wusste Violet nur zu gut.

Kapitel 29
    »Warum schützt du sie?«
    Die Frage ließ Tom innehalten, und er sah Ralph durch die Gitterstäbe an. »Das ist so klar zu sehen wie die Nase in deinem Gesicht, mein Junge. Sobald ich Isabel erwähne, wirst du seltsam und erzählst dummes Zeug.«
    »Ich hätte besser auf sie aufpassen und sie vor mir warnen müssen.«
    »Red keinen Unsinn.«
    »Du warst mir ein guter Freund, Ralph – aber es gibt vieles, was du nicht über mich weißt.«
    »Und vieles, was ich sehr wohl weiß, mein Junge.«
    Tom erhob sich. »Habt ihr den Motor wieder hingekriegt? Bluey hat erzählt, ihr hättet Probleme damit.«
    Ralph musterte ihn forschend. »Es sieht nicht sehr rosig aus.«
    »Das Schiff hat euch im Laufe der Jahre gute Dienste geleistet.«
    »Ja, es war immer zuverlässig. Ich hätte nie gedacht, dass es mich je im Stich lässt. Fremantle will es aus dem Verkehr ziehen.« Er blickte Tom in die Augen. »Wir sterben alle früh genug. Warum willst du die besten Jahre deines Lebens wegwerfen?«
    »Die besten Jahre meines Lebens sind längst vorbei, Ralph.«
    »Das ist doch Schwachsinn! Es wird langsam Zeit, dass du die Ärmel hochkrempelst und etwas unternimmst. Verdammt, wach endlich auf!«
    »Was schlägst du mir vor, Ralph?«
    »Dass du zum Teufel noch mal die Wahrheit sagst, wie immer sie auch lauten mag. Wenn man lügt, schaufelt man sich nur sein eigenes Grab.«
    »Manchmal gilt das auch für die Wahrheit … Jeder Mensch hat seine Grenzen, Ralph. Das weiß ich nur allzu gut. Izzy war ein ganz normales, glückliches Mädchen, bevor sie sich mit mir eingelassen hat. Das alles wäre nie geschehen, wenn sie nicht nach Janus gekommen wäre. Sie dachte, die Insel wäre das Paradies, und hatte keine Ahnung, was sie dort erwartet. Ich hätte ihr verbieten sollen

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