Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
Vom Netzwerk:
mitzukommen.«
    »Sie ist eine erwachsene Frau, Tom.«
    Tom betrachtete den Kapitän lange und legte sich seine nächsten Worte sorgfältig zurecht. »Ralph, es musste irgendwann einmal passieren. Jeder büßt für seine Sünden.« Mit einem Seufzer schaute er hinauf zu dem Spinnennetz in der Ecke, in dem einige Fliegen hingen wie vergessener Christbaumschmuck. »Ich hätte bereits vor Jahren sterben sollen. Hunderte von Malen hätte ich eine Kugel oder einen Stich mit einem Bajonett abkriegen können. Ich lebe schon so lange von geborgter Zeit.« Er schluckte. »Es ist schwer genug für Izzy, auf Lucy verzichten zu müssen. Eine Haft würde sie niemals überstehen. Ralph, es ist das Einzige, was ich für sie tun kann. Besser kann ich es nicht wiedergutmachen.«
    »Das ist nicht fair.« Unablässig wiederholt das Kind diesen Satz, und zwar nicht im Quengelton, sondern als verzweifelten Appell an die Vernunft. Sie klingt wie jemand, der versucht, einem Ausländer einen englischen Satz zu erklären. »Das ist nicht fair. Ich will nach Hause.«
    Manchmal gelingt es Hannah, sie für einige Stunden abzulenken. Sie streuen Krümel für die Staffelschwänze aus, damit die winzigen Vögel bis an die Haustür kommen und zu Graces Begeisterung auf Beinchen, so dünn wie Zünddraht, umherhüpfen, während sie das harte Brot aufpicken.
    Da sie bemerkt, wie Grace sich freut, als sie eines Tages einer getigerten Katze begegnen, hört sie sich in der ganzen Stadt nach Kätzchen um, und bald wird ein kleines schwarzes Geschöpf mit weißen Pfoten Mitglied des Haushalts.
    Grace ist interessiert, aber argwöhnisch. »Schau, er gehört dir. Dir ganz allein«, sagt Hannah und legt ihr das Katerchen vorsichtig in den Arm. »Also musst du helfen, ihn zu versorgen. Wie soll er denn heißen?«
    »Lucy«, antwortet das Kind, ohne zu zögern.
    Hannah zuckt zusammen. »Ich finde, Lucy ist ein Name für ein kleines Mädchen, nicht für einen Kater«, widerspricht sie. »Was hältst du von einem richtigen Katzennamen?«
    Also nennt Grace den einzigen Katzennamen, den sie kennt. »Tabatha Tabby.«
    »Dann also Tabatha Tabby«, meint Hannah und verkneift sich die Bemerkung, dass der Kater weder getigert noch ein Weibchen ist. Wenigstens hat sie das Kind dazu gebracht zu reden.
    »Komm, wollen wir Tabatha etwas Hackfleisch geben?«, schlägt Hannah am nächsten Tag vor. Doch Grace spielt an einer Haarsträhne herum. »Sie mag dich nicht. Sie mag nur mich.« Das sagt sie ohne Böswilligkeit. Sie stellt lediglich eine Tatsache fest.
    »Vielleicht solltest du ihr erlauben, Isabel Sherbourne zu sehen«, wandte Gwen nach einer besonders heftigen Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter zum Thema Schuheanziehen ein.
    »Gwen!«, entsetzte sich Hannah.
    »Ich weiß, dass dir das nicht gefällt. Aber ich meine ja nur … Wenn Grace dich für eine Freundin ihrer Mutter hält, hilft das vielleicht.«
    »Eine Freundin ihrer Mutter! Wie kannst du so etwas sagen? Außerdem weißt du ja, was Dr. Sumpton mir empfohlen hat. Je schneller sie diese Frau vergisst, desto besser …«
    Allerdings konnte sie die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass dieses andere Elternpaar und das andere Leben ihrer Tochter unauslöschlich einen Stempel aufgedrückt hatten. Wenn sie an den Strand gingen, zerrte Grace an ihrer Hand und wollte zum Wasser. Nachts, wenn die meisten Kinder gerade mit Mühe und Not den Mond erkannt hätten, zeigte Grace auf den hellsten Stern. »Das ist Sirius!«, verkündete sie. »Und das die Milchstraße.« Und zwar so selbstbewusst, dass Hannah es mit der Angst zu tun bekam. Rasch zog sie das Kind dann ins Haus. »Schlafenszeit. Wir gehen hinein«, sagte sie.
    Hannah betete darum, von ihrer Abneigung und Verbitterung befreit zu werden. »Herr, es ist ein Segen, dass ich meine Tochter wiederhabe. Zeig mir den richtigen Weg.« Doch im nächsten Moment dachte sie an Frank, der in ein Stück Segeltuch gewickelt und in einem anonymen Grab bestattet worden war. Sie erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck, als er seine Tochter zum ersten Mal im Arm gehalten hatte, so als hätte sie ihm den ganzen Himmel und die Erde in einer rosafarbenen Decke überreicht.
    Es war nicht ihr Problem. Außerdem war es nur richtig, dass sich ein Gericht mit Tom Sherbourne befasste. Und wenn ein Richter ihn ins Gefängnis steckte, nun, dann eben Auge um Auge, wie es in der Bibel stand. Sie würde der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen.
    Dann aber fiel ihr der Mann

Weitere Kostenlose Bücher