Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Mädchen, wie das Tier hieß.
»Schau, ein Babykänguru!«, rief sie, als ein Beuteltier langsam neben dem Pfad herhüpfte.
»Der kleine Bursche ist kein Babykänguru, sondern ein Kurzschwanzkänguru. Wie ein Känguru, nur winzig. Größer wird der nicht.« Er tätschelte Grace den Kopf. »Schön, dich einmal lächeln zu sehen, Kind. Ich weiß, dass du traurig warst … Du vermisst dein früheres Leben.« Septimus überlegte einen Moment. »Ich kenne das, weil … nun, weil mir das Gleiche passiert ist.«
Als das Mädchen ihn verwundert ansah, sprach er weiter. »Ich musste mich von meiner Mum verabschieden und auf einem Segelschiff über das Meer bis nach Fremantle fahren. Damals war ich nur ein bisschen älter als du jetzt. Ja, das ist schwer vorzustellen. Aber ich bin angekommen und habe eine neue Mum und einen neuen Dad gefunden, die Walt und Sarah hießen. Sie haben von da an für mich gesorgt. Und sie haben mich lieb gehabt, so wie meine Hannah dich lieb hat. Manche Menschen haben im Leben nicht nur eine Familie.«
Da Graces Miene nicht verriet, was sie von seinen Worten hielt, wechselte er das Thema. Während das Pferd langsam weiterging, fielen hier und dort Sonnenstrahlen durch die hohen Baumwipfel. »Magst du Bäume?«
Grace nickte.
Septimus zeigte auf einige Schösslinge. »Schau, das sind kleine Bäume, die nachwachsen. Wir fällen die großen, und neue nehmen ihren Platz ein. Alles wächst wieder, wenn man ihm nur die Zeit dazu lässt. Wenn du einmal so alt bist wie ich, wird dieser Baum ein Riese sein. Er wird gedeihen.« Ihm fiel etwas ein. »Eines Tages wird dieser Wald dir gehören. Es wird dein Wald sein.«
» Mein Wald?«
»Ja. Jetzt gehört er mir, und irgendwann wird er deiner Mum und deiner Tante Gwen gehören. Und danach ist er deiner. Was hältst du davon?«
»Darf ich das Pferd lenken?«, fragte sie.
Septimus lachte. »Gib mir deine Hände, dann halten wir gemeinsam die Zügel.«
»Hier ist sie wieder, gesund und munter«, verkündete Septimus, als er Grace bei Hannah ablieferte.
»Danke, Dad.« Sie beugte sich zu ihrer Tochter hinunter. »Hattest du einen schönen Tag?«
Grace nickte.
»Und hast du die Pferde gestreichelt?«
»Ja«, antwortete sie leise und rieb sich die Augen.
»Es war ein langer Tag, Kleines. Jetzt wird gebadet, und dann ab ins Bett.«
»Er hat mir den Wald geschenkt«, sagte Grace mit einem leichten Lächeln. Hannahs Herz machte einen Satz.
Nachdem Grace gebadet hatte, setzte sich Hannah auf die Bettkante des kleinen Mädchens. »Ich bin ja so froh, dass du heute Spaß hattest. Erzähl mir, was du alles gesehen hast, Liebes.«
»Ein Kuwakänguru.«
»Ein was?«
»Ein Kuwakänguru. Es ist klein und hüpft.«
»Ach, ein Kurzschwanzkänguru. Die sind niedlich. Und was sonst noch?«
»Ein großes Pferd. Ich habe die Zügel gehalten.«
»Weißt du noch, wie es heißt?«
Das Mädchen überlegte. »Araballa.«
»Arabella, richtig. Sie ist sehr nett und hat auch Freunde – Samson und Herkules und Daphne. Arabella ist schon recht alt, aber noch immer sehr stark. Hat Opa dir den Lastkarren gezeigt, den sie ziehen kann?« Als das Mädchen sie fragend ansah, erklärte Hannah: »Das sind riesengroße Karren mit zwei Rädern. So werden die Baumstämme nach dem Fällen aus dem Wald geholt.« Das Kind schüttelte den Kopf. »Ach, mein Schatz«, sagte Hannah. »Es gibt noch so viel, was ich dir zeigen will. Du wirst den Wald lieben, das verspreche ich dir.«
Während Grace einschlief, blieb Hannah neben ihr sitzen und schmiedete Pläne. Wenn der Frühling kam, würde sie ihr die Wildblumen erklären. Sie würde ihr ein kleines Pony kaufen, ein Shetland vielleicht, damit sie zusammen die schmalen Waldwege entlangreiten konnten. Plötzlich erstreckten sich die Jahrzehnte vor ihr, und sie wagte, sie sich auszumalen. »Willkommen zu Hause«, flüsterte sie ihrer schlafenden Tochter zu. »Endlich willkommen zu Hause, mein Liebling.« Als sie an diesem Abend ihre Haushaltspflichten erledigte, summte sie dabei vor sich hin.
Kapitel 30
Partageuse hat eine begrenzte Anzahl von Einwohnern und nur eine begrenzte Anzahl von Orten, an denen sie sich aufhalten können. Deshalb begegnet man früher oder später zwangsläufig jemandem, um den man lieber einen Bogen machen würde.
Violet hatte Tage dazu gebraucht, um ihre Tochter zu überreden, das Haus zu verlassen. »Komm, unternimm doch einen Spaziergang mit mir. Ich möchte zu Mouchemore, weil ich mehr Wolle für die
Weitere Kostenlose Bücher