Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Garstone eingeschlossen. Die Männer, die ihren Schmerz an Frank Roennfeldt ausgetobt haben. Doch damit hätte er alles nur noch schlimmer gemacht. Man kann nicht eine ganze Stadt an den Pranger stellen. Manchmal ist Vergessen der einzige Weg zurück in die Normalität.
Wieder einmal denkt er an seinen Gefangenen. Tom Sherbourne ist ihm ein Rätsel. Verschlossen wie eine Macadamianuss. Nicht festzustellen, was sich innerhalb der glatten, harten Schale tut, keine Schwachstelle, um einzuhaken. Spragg, dieser Schwachkopf, steht bereits in den Startlöchern, um ihn sich vorzuknöpfen. Knuckey hat ihn hingehalten, so lange er konnte, doch bald wird er zulassen müssen, dass er Sherbourne verhört. In Albany oder in Perth, und wer kann wissen, was dort aus ihm werden wird. So wie Sherbourne sich derzeit verhält, ist er selbst sein schlimmster Feind.
Aber wenigstens ist es ihm gelungen, Spragg von Isabel fernzuhalten. »Sie wissen doch, dass wir eine Ehefrau nicht zwingen können zu reden, also lassen Sie sie in Ruhe. Wenn Sie sie unter Druck setzen, könnte sie die Aussage verweigern. Wollen Sie das?«, hat er den Sergeant gefragt. »Ich kümmere mich um sie.«
Herrgott, das ist einfach zu viel. Eigentlich hat er sich doch um einen ruhigen Posten in einer Kleinstadt beworben. Und jetzt muss er dieses Rätsel lösen. Ein verzwickter Fall. Wirklich verzwickt. Es ist seine Pflicht, fair und gründlich zu sein. Und den Fall an Albany abzugeben, wenn der Zeitpunkt da ist. Er wirft die Muschel ins Wasser. Die Wellen rauschen so laut, dass man nicht einmal ein Platschen hört.
Sergeant Spragg, noch immer durchgeschwitzt nach der langen Anreise aus Albany, pflückte eine Fluse von seinem Ärmel und beugte sich dann wieder langsam über die Papiere, die vor ihm lagen. »Thomas Edward Sherbourne, geboren 28. September 1893.«
Tom antwortete nicht. Die Zikaden im Wald zirpten so schrill, dass es klang wie das Geräusch der Hitze selbst.
»Ein richtiger Kriegsheld. Mit einem Orden ausgezeichnet. Ich habe Ihre Belobigungen gelesen: allein eine deutsche M G -Stellung ausgehoben, vier Ihrer Männer unter feindlichem Beschuss in Sicherheit gebracht. Und so weiter und so fort.« Kurz hielt Spragg inne. »Sicher haben Sie damals einige Menschen getötet.«
Tom schwieg.
»Ich sagte«, Spragg lehnte sich über den Tisch, »dass Sie damals sicher einige Menschen getötet haben.«
Tom atmete ruhig und starrte mit ausdrucksloser Miene ins Leere.
Spragg schlug auf den Tisch. »Wenn ich Ihnen eine Frage stelle, haben Sie verdammt noch mal zu antworten.«
»Wenn Sie mir eine Frage stellen, tue ich das gern«, entgegnete Tom gelassen.
»Warum haben Sie Frank Roennfeldt getötet? Das ist eine Frage.«
»Ich habe ihn nicht getötet.«
»Weil er Deutscher war. Schließlich hatte er noch einen Akzent.«
»Als ich ihm begegnet bin, hatte er keinen Akzent mehr. Er war nämlich tot.«
»Sie haben doch schon viele wie ihn umgebracht. Einer mehr oder weniger macht doch da keinen Unterschied, oder?«
Tom seufzte tief auf und verschränkte die Arme.
»Das ist auch eine Frage, Sherbourne.«
»Was soll das? Ich habe Ihnen gesagt, ich sei dafür verantwortlich, dass wir Lucy behalten haben. Ich habe Ihnen erklärt, dass der Mann tot war, als das Boot angespült wurde. Ich habe ihn begraben, dafür bin ich also auch verantwortlich. Was wollen Sie denn noch?«
»Ach, er ist so tapfer und so ehrlich, biegt sich alles hübsch zurecht und ist sogar bereit, dafür ins Gefängnis zu gehen«, äffte Spragg ihn im Singsangton nach. »Nun, ich kaufe Ihnen das nicht ab, verstanden, alter Junge? Für mich klingt das zu sehr so, als wollten Sie einen Mord vertuschen.« Toms Gelassenheit brachte ihn zur Weißglut. »Typen wie Sie kenne ich. Und von gottverdammten Kriegshelden habe ich die Nase voll. Ihr seid zurückgekommen, habt erwartet, dass wir euch für den Rest eures Lebens anhimmeln, und auf jeden runtergeschaut, der keine Uniform getragen hat. Tja, der Krieg ist längst vorbei. Und wir haben miterlebt, wie viele von euch auf die schiefe Bahn geraten sind. Die Überlebensregeln im Krieg gelten in einem zivilisierten Land nicht, und Sie werden mir nicht davonkommen.«
»Das hat, verdammt noch mal, nichts mit dem Krieg zu tun.«
»Jemand muss Recht und Gesetz verteidigen, und in diesem Fall bin ich dieser Jemand.«
»Und was ist mit dem gesunden Menschenverstand, Sergeant? Herrgott, überlegen Sie doch mal! Ich hätte alles abstreiten und
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