Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Park ankommt, liegen auf der Parkbank nur eine Tasche und das Kerngehäuse eines Apfels mit den Spuren kleiner Zähne, auf dem bereits die Ameisen wimmeln.
Es wird dunkel, und die ersten Lichter funkeln durch die Nacht. Punkte in der Finsternis, manchmal von einer Gaslaterne im Fenster, manchmal von einer Glühbirne aus den neueren Häusern. Die Main Street von Partageuse ist auf beiden Seiten mit elektrischer Straßenbeleuchtung versehen. Auch die Sterne erhellen die klare Luft, und die Milchstraße malt einen strahlenden Pfad durch die Dunkelheit.
Einige der hellen Punkte zwischen Bäumen schwanken wie feurige Früchte: Menschen mit Laternen suchen den Busch ab. Nicht nur Polizisten, sondern auch Arbeiter aus Potts Sägewerk und Männer von der Hafen- und Leuchtturmverwaltung. Hannah wartet, wie angewiesen, voller Angst zu Hause. Die Graysmarks gehen die Wege durch den Busch ab und rufen immer wieder den Namen des Kindes. »Lucy« und »Grace« hallten durch die Luft, obwohl nur ein einziges kleines Mädchen vermisst wird.
Lucy umklammert ihr Bild von Mama, Dadda und dem Leuchtturm und erinnert sich an die Geschichte von den Heiligen Drei Königen, die von einem Stern zum Jesuskind geführt werden. Sie hat das Licht von Janus draußen auf dem Meer entdeckt: Es ist überhaupt nicht weit, das ist der Leuchtturm nie. Allerdings stimmt etwas nicht. Zwischen den weißen Blitzen ist auch ein roter zu sehen. Dennoch folgt sie dem Licht. Sie steuert auf das Wasser zu, wo die See in der Nacht rauer geworden ist und die Wellen den Strand beherrschen. Am Leuchtturm wird sie Mama und Dadda finden. Also geht sie die lange, schmale Landzunge hinunter – die Spitze von Point Partageuse, wo Isabel Tom vor vielen Jahren gesagt hat, er müsse sich hinlegen, wenn er in das Loch schaut, damit er nicht weggeweht würde. Jeder Schritt trägt das kleine Mädchen näher an das Licht heran und auf den Ozean hinaus.
Allerdings ist es nicht das Licht von Janus, dem sie da folgt. Jeder Leuchtturm hat eine eigene Kennung, und der rote Lichtblitz zwischen den weißen teilt den Seeleuten mit, dass sie sich nun den seichten Gewässern vor der Hafeneinfahrt von Partageuse nähern, fast einhundertfünfzig Kilometer von Janus Rock entfernt.
Der Wind frischt auf. Das Wasser braust. Das Kind geht weiter. Die Dunkelheit nimmt zu.
In seiner Zelle hörte Tom die Stimmen draußen. »Lucy? Lucy, bist du da?« Und dann: »Grace? Wo bist du, Grace?«
»Sergeant Knuckey? Sergeant?«, rief Tom nach vorn ins Revier.
Schlüssel klapperten, und Constable Lynch erschien. »Brauchen Sie etwas?«
»Was ist da los? Leute suchen Lucy.«
Bob Lynch überlegte, was er antworten sollte. Der Mann hatte ein Recht, es zu erfahren. Er könnte es sowieso nicht verhindern. »Das kleine Mädchen ist verschwunden.«
»Wann? Wie?«
»Vor ein paar Stunden. Offenbar ist sie weggelaufen.«
»Gütiger Himmel! Wie zum Teufel konnte das passieren?«
»Keine Ahnung.«
»Und was wird jetzt unternommen?«
»Man sucht nach ihr.«
»Lassen Sie mich helfen. Ich kann nicht tatenlos hier herumsitzen.« Lynchs Gesichtsausdruck genügte als Antwort. »Ach, verdammt noch mal!«, schimpfte Tom. »Wohin soll ich denn fliehen?«
»Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich etwas erfahre, alter Junge. Mehr darf ich leider nicht tun.« Wieder das Klappern von Metall, und er war fort.
Tom saß da und dachte an Lucy, die immer neugierig ihre Umwelt erkundete. Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Vielleicht hätte er ihr beibringen sollen, vorsichtiger zu sein. Er hatte sie nicht auf ein Leben außerhalb von Janus vorbereitet. Im nächsten Moment fiel ihm noch etwas ein. Wo war Isabel? Was war ihr in ihrem derzeitigen Zustand alles zuzutrauen? Er betete, dass sie die Dinge nicht selbst in die Hand genommen hatte.
Ein Glück, dass es nicht Winter war. Vernon Knuckey spürte, wie es kälter wurde, als es auf Mitternacht zuging. Das Kind trug nur ein Baumwollkleid und Sandalen. Zumindest hatte sie im Januar eine Chance, die Nacht zu überleben. Im August wäre sie inzwischen wohl schon blau gefroren gewesen.
Um diese Uhrzeit war es zwecklos weiterzusuchen. Kurz nach fünf würde die Sonne aufgehen. Es war besser, wenn die Leute ausgeruht und die Lichtverhältnisse auf ihrer Seite waren. »Richten Sie es den anderen aus«, meinte er, als er am Ende der Straße Garstone begegnete. »Wir machen für heute Nacht Schluss. Bei Morgengrauen treffen wir uns auf dem Revier und fangen von vorn
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