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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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griff in die Wiege und schüttelte die Rassel vor dem Gesicht des Babys, das inzwischen hellwach war. Als es aufmerksam hinsah, schüttelte er sie noch einmal. »Du bist ein kleiner Glückspilz, was? Eine elegante Silberrassel! Wie für eine Prinzessin. So etwas Tolles habe ich noch nie gesehen! Engel auf dem Griff und so. Engel für einen Engel … Und die hübsche weiche Decke …«
    »Ach, die sind noch von …«, Isabels Stimme erstarb, »von früher übrig.«
    Bluey errötete. »Entschuldige. Da bin ich wohl ins Fettnäpfchen getreten … Am besten mache ich dann mal mit dem Ausladen weiter. Danke für den Kuchen.« Mit diesen Worten trat er durch die Küchentür den Rückzug an.
    Janus Rock,
    Juni 1926
    Liebe Mum, lieber Dad,
    ja, Gott hat uns einen Engel geschickt, um uns Gesellschaft zu leisten. Die kleine Lucy hat unsere Herzen im Sturm erobert! Sie ist ein wunderschönes kleines Mädchen – absolut vollkommen. Sie schläft viel, isst brav und macht uns überhaupt keine Schwierigkeiten.
    Ich wünschte, Ihr könntet sie sehen und im Arm halten. Sie verändert sich mit jedem Tag, und bis Ihr sie kennenlernen werdet, wird sie kein Baby mehr sein. Bei unserem nächsten Landurlaub wird sie schon laufen können. Doch sie ist wirklich ein Traum. Ich habe ihre Fußsohle in Karmin getaucht – in einem Leuchtturm muss man erfinderisch sein … Meisterwerk beiliegend.
    Tom ist ein Bilderbuchvater. Seit wir Lucy haben, ist es so anders auf Janus. Im Moment ist sie noch problemlos zu versorgen – ich lege sie in ihre Wiege, und wenn ich Eier einsammeln oder melken muss, nehme ich sie mit. Sobald sie zu krabbeln anfängt, wird es vermutlich ein bisschen schwieriger werden. Aber wir wollen ja nichts überstürzen.
    Ich könnte Euch so viel von ihr erzählen – wie dunkel ihr Haar ist und wie gut sie nach dem Baden riecht. Ihre Augen sind auch ziemlich dunkel. Doch ich werde ihr nicht gerecht. Sie ist hübscher, als ich es beschreiben kann. Obwohl ich sie erst seit ein paar Wochen kenne, kann ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.
    Also, Oma und Opa (!), dann höre ich mal besser auf, damit das Schiff den Brief mitnehmen kann. Sonst dauert es nämlich wieder drei Monate, bis Ihr ihn bekommt!
    Mit ganz, ganz lieben Grüßen,
    Isabel
    PS . Ich habe heute Morgen Euren Brief gelesen, den das Schiff gebracht hat. Danke für die schöne Häschendecke. Und die Puppe ist so niedlich. Auch die Bücher haben mich sehr gefreut. Ich sage ihr immer Kinderreime vor, also werden ihr die neuen sicher gefallen.
    PPS . Tom bedankt sich für den Pullover. Allmählich wird es hier winterlich kalt.
    Der Neumond war nur eine schmale Sichel am Himmel, der sich allmählich verdunkelte. Tom und Isabel saßen auf der Veranda. Der Lichtkegel der Lampe umkreiste sie. Lucy war in Toms Armen eingeschlafen.
    »Es ist schwierig, anders zu atmen als sie«, sagte er und betrachtete das Baby.
    »Was meinst du damit?«
    »Es ist wie ein Bann, findest du nicht. Immer, wenn sie schläft, fange ich an, im gleichen Rhythmus zu atmen. Etwa so, wie ich Dinge auch im Gleichklang mit den Rotationen der Lampe tue. Das macht mir Angst«, fügte er, mehr an sich selbst gewandt, hinzu.
    Isabel lächelte. »Das ist nur Liebe, Tom. Vor der Liebe brauchst du dich nicht zu fürchten.«
    Tom erschauderte. Er stellte nämlich fest, dass Lucy einen Weg in sein Herz gefunden hatte, genauso wie er sich ein Leben auf dieser Welt ohne Isabel nicht vorstellen konnte. Und er wünschte sich, das Kind hätte einen rechtmäßigen Platz darin gehabt.
    Jeder, der schon einmal auf einer Leuchtturminsel gearbeitet hat, kann bestätigen, welche Macht die Einsamkeit auf einen ausübt. Die Leuchttürme sind rings um die australische Küste verteilt wie aus einer Esse geschleuderte Funken. Einige von ihnen werden kaum je von einer Menschenseele zur Kenntnis genommen. Doch gerade ihre Abgeschiedenheit verhindert, dass der gesamte Kontinent von der Welt abgeschnitten wird, denn sie sichern die Transportwege für die Schiffe ab, die aus Tausenden von Kilometern Entfernung eintreffen und – im Austausch gegen Wolle, Weizen, Kohle und Gold – Maschinen, Bücher und Stoffe bringen: die Früchte des Erfindergeists gegen die Schätze der Erde.
    Die Einsamkeit spinnt einen eigenartigen Kokon, indem sie den Verstand auf einen Ort, einen Zeitpunkt und einen Rhythmus bündelt – das Rotieren der Lampe. Die Insel kennt keine anderen menschlichen Stimmen, keine anderen

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