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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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Mir geht es gleich wieder besser.«
    Die schweren Türen aus Dscharraholz öffneten sich, und der Vikar trat aus der Kirche. »Alles bereit für den großen Tag?«, fragte er und blinzelte ins Licht.
    »Wir müssen etwas sagen! Jetzt! Die Taufe kann nicht stattfinden …«, zischte Tom Isabel in der Sakristei zu, während Bill und Violet den Gästen in der Kirche ihr Enkelkind präsentierten.
    »Tom, das ist unmöglich.« Isabels Atem ging flach, und sie war kreidebleich im Gesicht. »Es ist zu spät!«, fügte sie hinzu.
    »Wir müssen die Sache in Ordnung bringen und den Leuten sofort reinen Wein einschenken!«
    »Wir können nicht!« Ihr schwindelte immer noch, während sie sich das Hirn nach einer schlüssigen Begründung zermarterte. »Das dürfen wir Lucy nicht antun! Wir sind die einzigen Eltern, die sie kennt. Und was genau sollen wir denn sagen? Dass uns plötzlich eingefallen ist, ich hätte gar kein Baby bekommen?« Sie wurde aschfahl. »Und was ist mit dem Toten? Wir sind schon zu weit gegangen.« Alle Instinkte rieten ihr, auf Zeit zu spielen. Für eine andere Lösung war sie viel zu verwirrt und verängstigt. Dennoch bemühte sie sich um einen ruhigen Tonfall. »Wir sprechen später darüber. Jetzt müssen wir die Taufe abhalten.« Als sich ein Lichtstrahl in ihren meergrünen Augen fing, erkannte Tom die Furcht darin. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und fuhr im nächsten Moment zurück, als seien sie zwei einander abstoßende Magneten.
    Die Schritte des Vikars übertönten das Stimmengewirr der Gäste in der Kirche, als er näher kam. In Toms Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander. » In Gesundheit und Krankheit, in guten wie in schlechten Tagen. « Die Worte, die er vor Jahren in dieser Kirche ausgesprochen hatte, wollten ihm nicht aus dem Kopf.
    »Alles ist bereit«, verkündete der Vikar strahlend.
    »Ist dieses Kind bereits getauft worden?«, begann Reverend Norkells. Die Menschen, die sich am Taufbecken versammelt hatten, antworteten mit: »Nein.« Neben Tom und Isabel standen Ralph als Pate und Isabels Cousine Freda als Patin.
    Die Taufpaten hatten Kerzen in der Hand und antworteten auf die Fragen des Vikars: »Weist du, im Namen dieses Kindes, den Teufel und alle seine Werke zurück …?«
    »Ich weise sie alle zurück«, erwiderten die Paten im Chor.
    Während die Worte von den Sandsteinmauern widerhallten, starrte Tom auf seine blank polierten neuen Stiefel und konzentrierte sich auf die schmerzhafte Wasserblase an seiner Ferse.
    »Wirst du gehorsam Gottes heiligen Willen und seine Gebote befolgen …?«
    »Das werde ich.«
    Bei jedem Gelöbnis bewegte Tom den in steifem Leder steckenden Fuß und gab sich dem Schmerz hin.
    Lucy war begeistert von den Buntglasfenstern, die strahlten wie ein Feuerwerk, und Isabel musste trotz ihrer Aufgewühltheit daran denken, dass das Kind noch nie so leuchtende Farben gesehen hatte.
    »Oh, gnädiger Gott, mach, dass der alte Adam in diesem Kind begraben wird, sodass der neue in ihm auferstehen kann …«
    Tom dachte an das anonyme Grab auf Janus und hatte das Gesicht von Frank Roennfeldt vor sich, bevor er es mit der Plane abgedeckt hatte. Abwesend und ausdruckslos hatte er es Tom überlassen, sein eigener Ankläger zu sein.
    Von draußen drangen die Rufe der Kinder herein, die auf dem Hof der Kirche Kricket spielten, sodass die Geräusche von Abschlägen und Geschrei durch die Luft hallten.
    In der zweiten Sitzreihe stieß Hilda Addicott ihre Sitznachbarin an. »Schau, Tom hat eine Träne im Auge. Er hat wirklich ein weiches Herz«, flüsterte sie. »Obwohl er ein Baum von einem Mann ist, ist er so feinfühlig.«
    Norkells nahm das Kind in die Arme. »Gebt diesem Kind einen Namen«, sagte er.
    »Lucy Violet«, erwiderten sie.
    »Lucy Violet, ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«, verkündete der Priester und goss dem kleinen Mädchen, das einen Protestschrei ausstieß, Wasser über den Kopf. Im nächsten Moment begann Mrs. Rafferty der alten Holzorgel eine Vertonung des dreiundzwanzigsten Psalms zu entlocken.
    Noch ehe der Gottesdienst vorüber war, entschuldigte sich Isabel und hastete zum Toilettenhäuschen am Ende des Pfads. In dem kleinen Ziegelgebäude war es heiß wie in einem Backofen, und sie musste die Fliegen verscheuchen, ehe sie sich vorbeugen und heftig übergeben konnte. Ein Gecko klebte an der Wand und beobachtete sie schweigend. Als sie an der Kette zog, huschte er zum sicheren Wellblechdach

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