Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
mit einem höflichen Lächeln. »Ihr Vater ist doch der Schuldirektor.«
»Ja«, erwiderte Isabel. Ihr wurde flau im Magen, und sie blickte sich um, als suche sie nach einem Fluchtweg.
Mrs. Hasluck bereute schon, die beiden einander vorgestellt zu haben. Die Potts-Mädchen hielten lieber Abstand zu den Einheimischen. Und nach der Sache mit dem Deutschen war die Schwester … Ach, herrje … Sie überlegte gerade, wie sie die Situation retten sollte, als Gwen Hannah heranwinkte, die nur wenige Meter entfernt stand.
»Hannah, wusstest du, dass Mr. Sherbourne, der gerade die Rede gehalten hat, mit Isabel Graysmark verheiratet ist? Der Tochter des Schuldirektors?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung«, antwortete Hannah. Sie wirkte geistesabwesend, als sie näher kam.
Isabel erstarrte, und es verschlug ihr die Sprache, als sich ihr langsam ein ausgemergeltes Gesicht zuwandte. Sie umklammerte Lucy fester und versuchte, eine Begrüßung herauszubringen, doch ihre Stimme wollte ihr nicht gehorchen.
»Wie heißt denn Ihre Kleine?«, erkundigte Gwen sich mit einem Lächeln.
»Lucy.« Es kostete Isabel gewaltige Willenskraft, nicht aus dem Saal zu fliehen.
»Ein reizender Name«, erwiderte Gwen.
»Lucy«, wiederholte Hannah, als sei es ein Wort in einer fremden Sprache. Sie starrte das Kind an und streckte die Hand nach seinem Arm aus.
Beim Anblick von Hannahs Augenausdruck, als diese das kleine Mädchen musterte, zuckte Isabel vor Angst zusammen.
Lucy war wie hypnotisiert von der Berührung der Frau. Sie starrte ihr in die Augen, ohne zu lächeln oder das Gesicht zu verziehen, als brüte sie über einem Puzzle. »Mama«, meinte sie, worauf beide Frauen erschraken. Sie drehte sich zu Isabel um. »Mama«, wiederholte sie. »Ich bin müde.« Sie rieb sich die Augen.
Einen Sekundenbruchteil malte Isabel sich aus, wie sie Hannah das Kind übergab. Schließlich war sie die Mutter. Sie hatte ein Recht darauf. Aber das waren nichts als wirre Gedanken. So oft hatte sie darüber nachgegrübelt. Die Entscheidung war endgültig gefallen. Was immer auch Gottes Absicht gewesen war, musste Isabel sich an seine Pläne halten und seinen Willen tun. Sie zermarterte sich das Hirn nach den richtigen Worten.
»Oh, schauen Sie«, verkündete Mrs. Hasluck, die bemerkt hatte, dass Tom sich näherte. »Hier ist der Mann der Stunde.« Sie zog ihn heran und steuerte auf die nächste Gruppe zu. Eigentlich hatte sich Tom unauffällig mit Isabel aus dem Staub machen wollen, während sich die Leute um den Tisch mit Wurstbrötchen und Sandwiches scharten. Als er feststellte, mit wem Isabel da sprach, prickelte ihm der Hals, und sein Puls begann zu rasen.
»Tom, das sind Hannah und Gwen Potts«, sagte Isabel mit einem gezwungenen Lächeln.
Tom starrte seine Frau an, als sie, Lucy auf der Hüfte, die Hand auf seinen Arm legte.
»Hallo«, erwiderte Gwen.
»Schön, Sie endlich richtig kennenzulernen«, meinte Hannah, die endlich den Blick von dem Kind abwandte.
Tom fehlten die Worte.
» Richtig? «, hakte Gwen nach.
»Wir sind uns schon einmal vor Jahren begegnet, aber ich wusste nicht, wie er hieß.«
Nun war es Isabel, die fragend vom einen zum anderen schaute.
»Ihr Mann war sehr ritterlich. Er hat mich vor einem Burschen gerettet, der … nun, mich belästigt hat. Auf dem Schiff von Sydney hierher. Oh, ich erzähle dir später alles. Das war vor vielen Jahren«, meinte sie, an ihre Schwester gewandt. Und zu Tom meinte sie: »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie auf Janus sind.«
Beklommenes Schweigen entstand, als sie, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, verharrten.
»Dadda«, rief Lucy schließlich und streckte die Arme nach ihm aus. Isabel versuchte zwar, es zu verhindern, aber das Kind schlang Tom die Arme um den Hals, sodass er es zu ihm hinüberklettern und den Kopf an seine Brust schmiegen ließ, um seinem wild pochenden Herzen zu lauschen.
Gerade wollte Tom die Gelegenheit zur Flucht nutzen, als Hannah ihn am Ellbogen berührte. »Übrigens hat mir gefallen, was Sie gerade gesagt haben. Dass der Leuchtturm für alle da ist, die ihn brauchen.« Kurz hielt sie inne, um sich ihre nächsten Worte zurechtzulegen. »Darf ich Sie etwas fragen, Mr. Sherbourne?«
»Und das wäre?«, erwiderte er, obwohl ihn der Satz mit Grauen erfüllte.
»Es mag sich seltsam anhören, aber werden Menschen auf hoher See manchmal von Schiffen gerettet? Haben Sie jemals von Booten gehört, die aufgegriffen worden sind? Ich bin nur neugierig, ob
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