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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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ist Mamas Dadda, dein Opa.«
    Lucy sieht ihn skeptisch an.
    »Ja, das ist verwirrend, ich weiß. Aber Oma und Opa sind nicht meine Eltern.«
    »Wer sind denn deine Eltern?«
    Tom verlagert Lucy von einem Knie aufs andere. »Meine Mum und mein Dad hießen Eleanora und Edward.«
    »Sind sie auch meine Oma und mein Opa?«
    »Sie sind beide gestorben, Schätzchen«, weicht Tom der Frage aus.
    »Aha«, erwidert Lucy mit einem ernsten Nicken, was in ihm den Verdacht weckt, dass sie keine Ahnung hat, wovon die Rede ist. »Wie Flossie.«
    Tom hat ganz vergessen, dass die Ziege vor einigen Wochen erkrankt und gestorben ist. »Nun, ja, wie Flossie.«
    »Warum sind deine Mama und dein Dadda denn gestorben?«
    »Weil sie alt und krank waren. Das ist schon lange her«, fügt er hinzu.
    »Werde ich auch sterben?«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann, Lulu.«
    Allerdings birgt seit einiger Zeit jeder Tag mit diesem Kind Gefahren. Mit ihrem Wortschatz wächst auch ihre Fähigkeit, ihre Umwelt zu erkunden und zu ergründen, wer sie ist. Es belastet Tom sehr, dass ihr Verständnis von der Welt und ihrer eigenen Person auf einer gewaltigen Lüge basiert: einer Lüge, an deren Entwicklung und Ausbau er selbst mitgewirkt hat.
    Alle Flächen im Laternenraum schimmerten. Tom hatte schon immer alles sorgfältig gepflegt, doch nun erklärte er jeder Schraube und jedem Beschlag den Krieg, bis sie blitzblank waren. Inzwischen haftete ihm ständig der Geruch von Duraglit-Polierpaste an. Die Prismen funkelten, und der Strahl leuchtete, unbefleckt von auch nur einem einzigen Staubkorn. Alle Zahnräder liefen glatt. Noch nie hatte die Maschinerie so präzise funktioniert.
    Das Haus hingegen litt an Vernachlässigung. »Könntest du diesen Riss nicht zugipsen?«, fragte Isabel, als sie nach dem Mittagessen in der Küche saßen.
    »Ich kümmere mich darum, sobald alles für die Inspektion fertig ist.«
    »Das ist es doch schon seit Wochen – eigentlich schon seit Monaten. Schließlich kommt ja nicht der König, oder?«
    »Ich möchte nur, dass alles tipptopp ist. Ich habe dir doch gesagt, dass wir Chancen auf den Posten in Point Moore haben. Dann wären wir an Land in der Nähe von Geraldton. Von Menschen. Und Hunderte von Kilometern entfernt von Partageuse.«
    »Es gab einmal eine Zeit, in der dich keine zehn Pferde von Janus weggebracht hätten.«
    »Nun, die Zeiten ändern sich.«
    »Nicht die Zeiten haben sich geändert, Tom«, widersprach sie. »Du selbst hast doch immer gesagt, dass es nicht der Leuchtturm ist, der sich bewegt hat, wenn er plötzlich aussieht, als stünde er anderswo.«
    »Na, dann überleg mal, was das wohl sein könnte«, entgegnete er, griff nach dem Schraubenschlüssel und marschierte in Richtung Lagerschuppen, ohne sich umzublicken.
    Am Abend nahm Tom eine Flasche Whisky mit und ging zur Klippe, um die Sterne zu beobachten. Die Brise berührte sein Gesicht, während er die Sternbilder verfolgte und das Brennen des Getränks in der Kehle spürte. Er wandte sich dem rotierenden Lichtstrahl zu und lachte bei dem Gedanken höhnisch auf, dass die Insel selbst wegen des Winkels stets in Dunkelheit lag. Ein Leuchtturm ist für andere da und nicht in der Lage, seine nähere Umgebung zu erhellen.

Kapitel 21
    Die Feierlichkeiten, die drei Monate später in Point Partageuse stattfanden, waren für die Stadt im Südwesten ein wichtiger gesellschaftlicher Anlass. Der Oberbefehlshaber der Handelsmarine war zusammen mit dem Gouverneur des Bundesstaats eigens aus Perth angereist, und die Honoratioren der Stadt hatten sich versammelt – der Bürgermeister, der Hafenmeister, der Vikar und auch die drei noch lebenden der bisherigen fünf Leuchtturmwärter. Grund war das Jubiläum des Tages, an dem auf Janus zum ersten Mal die Lampe angezündet worden war, und zwar vor vierzig Jahren im Januar 1890. Zur Feier dieses Tages hatte man der Familie Sherbourne einen Sonderurlaub an Land genehmigt.
    Tom fuhr sich mit dem Finger unter den steifen Kragen, der ihm den Hals abschnürte. »Ich fühle mich wie eine Weihnachtsgans!«, beschwerte er sich bei Ralph, der neben ihm hinter der Bühne stand und durch die Vorhänge spähte. Die städtischen Ingenieure und Mitarbeiter der Hafen- und Leuchtturmbehörde, die im Laufe der Jahre mit Janus befasst gewesen waren, hatten bereits ordentlich aufgereiht auf der Bühne ihre Plätze eingenommen. Draußen vor den offenen Fenstern zirpten Zikaden in der Sommernacht. Isabel und ihre Eltern saßen auf der

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