Das Liebesleben der Hyäne
Auditorium auf dem gefrorenen Rasen. Wir hatten uns nur eine Viertelstunde verspätet.
Ich stieg aus und kotzte. Dann ging ich mit Frenchy rein. Unterwegs hatten wir kurz angehalten und einen halben Liter Wodka besorgt, damit ich die Lesung durchhielt …
Ich las ungefähr 20 Minuten, dann legte ich die Gedichte weg. »Diese Scheiße langweilt mich«, sagte ich. »Reden wir doch einfach miteinander.«
Es endete damit, daß ich allerhand unflätige Sachen in den Saal schrie, und die Leute schrien zurück. Sie waren nicht schlecht, wenn man bedenkt, daß sie es ohne Honorar taten. Nach einer halben Stunde machte ich Schluß, und ein paar Professoren schafften mich da raus. »Wir haben ein Zimmer für Sie, Chinaski«, sagte einer von ihnen. »Im Studentinnen-Wohnheim.«
»Bei den Studentinnen?«
»Ganz recht. Ein hübsches Zimmer.«
Es stimmte. Im dritten Stock. Einer der Professoren hatte eine kleine Flasche Whisky dabei. Ein anderer gab mir einen Scheck für die Lesung und den Flug, und dann saßen wir herum und tranken Whisky und redeten. Irgendwann sackte ich weg. Als ich wieder zu mir kam, waren alle gegangen, und die Flasche war noch halb voll. Ich goß mir etwas ein und dachte: Hey, du bist Chinaski. Der legendäre Chinaski. Denk an dein Image. Du bist hier in einem Studentinnen-Wohnheim. Hunderte von Frauen um dich herum. Hunderte!
Ich hatte nichts als Unterhose und Strümpfe an. Damit ging ich raus auf den Flur, stellte mich vor die nächste Tür und klopfte.
»Hey, ich bin Henry Chinaski! Der unsterbliche Dichter! Macht auf! Ich will euch was zeigen! Sowas seht ihr nicht alle Tage!«
Ich hörte die Girls kichern.
»Also«, sagte ich, »wieviele seid ihr da drin? Zwei? Drei? Ganz egal. Ich nehm’s auch mit dreien auf! Kein Problem! Hört ihr? Macht auf! Ich hab dieses riesige purpurrote Ding vor mir stehn! Paßt auf, ich klopf mal damit an die Tür! …«
Ich machte eine Faust und pochte damit in Hüfthöhe an die Tür. Die Girls kicherten.
»So, ihr wollt also den großen Chinaski nicht reinlassen? Na, dann fickt euch doch ins Knie!«
Ich probierte es an der nächsten Tür.
»Hey, Girls! Hier ist der größte Dichter der letzten achtzehn Jahrhunderte! Macht die Tür auf! Ich werd euch was zeigen! Da bleibt euren Muschis die Luft weg!«
Nichts. Ich ging zur nächsten Tür.
Ich machte alle Türen auf diesem Stockwerk durch, dann ging ich eine Treppe tiefer und machte dort die Türen durch, und dann auch noch sämtliche Türen im 1. Stock. Kein Glück. Den Whisky hatte ich mitgenommen und zwischendurch um so manchen Schluck dezimiert. Jetzt wußte ich plötzlich nicht mehr, wo mein Zimmer war.
Ich wollte nur noch zurück auf mein Zimmer. Ich ging los und probierte sämtliche Türen noch einmal, ohne was zu sagen, und diesmal war mir peinlich bewußt, daß ich ja nur Socken und Unterhose anhatte. Wenn ich doch nur endlich dieses Zimmer wiederfinden würde! Ich sehnte mich nach einem Kissen für meinen müden Kopf.
Im dritten Stock hatte ich endlich Erfolg. Die Tür ging auf … da war die Mappe mit meinen Gedichten … da waren die leeren Trinkgläser, die vollen Aschenbecher … meine Hose, das Hemd, die Schuhe, die Jacke. Es war ein erhebender Anblick. Ich machte die Tür hinter mir zu, setzte mich aufs Bett und trank den restlichen Whisky aus.
Als ich aufwachte, war es heller Tag, und ich befand mich in einem fremden Zimmer. Es war ein großes sauberes Zimmer mit zwei Betten, Vorhängen, TV und Bad. Schien ein Zimmer in einem Motel zu sein. Ich stand auf und öffnete die Tür. Draußen war nichts als Eis und Schnee zu sehen. Ich machte die Tür wieder zu und sah mich um. Nirgends lag ein Zettel mit einer Nachricht, nirgends ein Anhaltspunkt, eine Erklärung. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich war entsetzlich verkatert und deprimiert. Ich hängte mich ans Telefon und rief Lydia in Los Angeles an.
»Baby, ich weiß nicht, wo ich bin!«
»Ich dachte, du bist nach Kansas City geflogen?«
»Bin ich auch. Aber jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich bin, verstehst du? Ich mach die Tür auf und seh nichts als vereiste Straßen! Eis und Schnee! Kein Mensch in der Nähe, kein Zettel auf dem Tisch, nichts!«
»Wo bist du denn zuletzt gewesen?«
»Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich zuletzt ein Zimmer in einem Wohnheim auf dem Campus.«
»Na, wahrscheinlich hast du dort die Sau abgegeben, und sie haben dich in ein Motel verfrachtet. Mach dir keine Sorgen. Wird schon jemand kommen, der dich
Weitere Kostenlose Bücher