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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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weiter.
    »Was hast du gerade gesagt?«, frage ich.
    »Was ich gesagt habe.«
    In der Pause danach, die Qualität des Schweigens zwischen uns nun völlig verändert, spüre ich, wie es geschieht, gleich einer Hand, die geschickt durch mich hindurchgreift. Unfassbar.
    »Was genau willst du damit sagen?«
    Er sieht auf die Wand gegenüber. »Meine Mutter. Luce. Du kennst die Geschichte.«
    »Den Teil nicht.«
    »Passt aber, findest du nicht?«
    »Ich finde, das ist ein Haufen Scheiße.«
    Ray sieht mich kurz an, ein schiefes Grinsen. »Komisch, dass du dich so ausdrückst. Genau das hat Huck auch gesagt, als Junie es ihm erzählte. Brachte ihn auf die Barrikaden. Er meinte, nie und nimmer könnte dieser Hurensohn …« Er unterbricht sich, schüttelt den Kopf. »Junie mag ja so einiges ausgefressen haben, aber er hat nie Blödsinn erzählt.«
    Ich sage nichts, sehe alles ganz klar. Das Puzzle einer menschlichen Geografie, Einzelteile, die auf furchtbarste Weise ineinander passen.
    Ray lacht kurz auf. »Ein bisschen verrückt, was?«
    So könnte man es nennen.
    »Wer weiß das noch?«, frage ich.
    »Jetzt du.«
    »Meine Mutter?«
    »Keine Ahnung. Könnte aber sein.«
    »Alex?«
    »Hatte nie einen Grund, es ihm zu erzählen.«
    »Also muss es deine Mutter Ada gewesen sein, die es Junie erzählte …«
    Ray nickt. »Irgendwann nach Silas’ Tod, glaube ich, machte sie mal Russische Eier und plauderte es aus. Später erzählte Junie es dann Huck und mir. Als Huckie es hörte, Mann, was ging der auf sie los! Hat Sachen gesagt – muss schlimm gewesen sein –, und sie heulte und schrie, war auf hundertachtzig, hat wochenlang nicht mit ihm gesprochen.«
    Ray fährt fort, erzählt mir die Geschichte einer Geschichte, und ich höre zu. Quasi. Nur eine Hälfte hört zu. Die andere Hälfte ist zu sehr damit beschäftigt, von einer Klippe zu stürzen.
    Es gibt ein griechisches Wort dafür, überlege ich, krame danach. Peripetie.
    »Zu allem Überfluss«, sagt Ray, »war Huck als Kind anscheinend in deine Mutter verknallt. Dachte, sie wäre jemand anders.«
    Scheiße. Kann das noch schlimmer werden? Meine Mutter Prinzessin Leia mit dem Loser Luke Skywalker.
    Tiefpunkt. Nadir. Allzeittief.
    »Von wegen Scrabble …«, sagt Ray.
    Gnadenstoß.
    Eigentlich hätte man lachen sollen. Sollte man wirklich, denke ich, es wäre zum Brüllen komisch gewesen unter anderen Umständen. Wie würde ich lachen. Müsste ich lachen. Mir die unfassbare Farce den Buckel runterrutschen lassen. Das Zimmer hat sich leicht gedreht, steht auf dem Kopf, alles rutscht in Richtung Abfluss, nach unten.
    Ich betrachte Rays Hand, die zwischen uns auf dem Bett liegt, die Haare auf ihrem Rücken, die aufgeschrammten Knöchel, ein blauer Fleck im Daumennagel. Schwarzblauer Farbton. Seine Hand ist nur Zentimeter vom Kopfkissen entfernt. Ich studiere sie aufmerksam, sie ist etwas, an das ich mich erinnern muss, und ich merke nicht, dass seine andere Hand nach mir greift, bis ich spüre, wie seine Finger über meine Wange streifen. Sie erschreckt mich, diese Berührung, ich zucke, fahre zusammen, versuche dann, nicht zurückzuschrecken. Aber es ist zu spät. Er hat es gemerkt. Er lässt die Hand sinken.
    »Du willst dich verdrücken, nicht wahr, Marne?«
    Ich antworte nicht.
    » Deswegen willst du dich verdrücken?«
    Ich werfe ihm einen Blick zu.
    »Du weißt, dass es nicht daran liegt«, sagt er verbittert. »Du weißt nicht mal mit Sicherheit, dass es mein Vater war, der damals geschossen hat …«
    Ich schüttle den Kopf. »Fang nicht …«
    »Verdammt noch mal, wer weiß das schon, Marne? So oder so machst du mich dafür verantwortlich.«
    Ich kann ihm nicht erklären, dass er recht hat und gleichzeitig auch nicht. Es geht um das alles und es geht um nichts davon. Ich hätte es besser wissen müssen, als mit einem Kerl ins Bett zu steigen, der so verhaftet in dieser Stadt ist, wo es doch keinen Ort gibt, an dem ich weniger gern sein würde.
    »Ich kann es einfach nicht«, sage ich.
    Dann geschieht es. Ich sehe es geschehen. Sehe, wie die Worte sein Gesicht treffen, sich durch die Oberfläche seiner Augen bohren.
    Die Kehrseite von allem.
    Eine halbe Stunde später biegt er mit dem Pick-up in unsere Einfahrt und lässt mich heraus.
    »Bis dann mal«, sage ich.
    »Ja.« Sein Finger trommelt auf das Lenkrad.
    »Es ist nicht so, wie du denkst, Ray.«
    »Ich denke gar nichts.«
    Er sieht mich nicht an. Zu diesem Zeitpunkt hat er natürlich keinen Grund mehr

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