Das Liebesspiel
Erzählung zum Opfer, wie er dem Schwein in den Kopf schoss, ein Loch grub und ihn reinwälzte, und hatte er nicht ein Riesenglück, dass es in der Nähe der Kiesgrube geschah, wo gut graben war.
Ich weiß, dass es mir nichts bringt, es im Kopf durchzugehen, aber Herrgott, könnte es nicht genau so gewesen sein?
Dieser Fremde. Er wird wie diese Engel gewesen sein. Distanziert. Nichts wurde ihm genommen. Nichts geraubt. Zuhören, anschauen, sammeln. Der Besoffene redet immer weiter, seine wilde Geschichte so extrem detailliert, dass der Ingenieur sie einen Moment lang fast glaubt.
Einfach.
Wer war es? Faulkner? Der sagte, die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist nicht mal vergangen.
Wie durch ein Wunder bringe ich den vierten Juli hinter mich. Das Familien-Grillen bei einem Cousin, den Umzug – Feuerwehrsirenen heulen, geschmückte Wagen rollen vorbei –, ich bin überzeugt, dass ich ihn sehen werde, dass ich irgendwo hinschaue und ihn sehe – wünsche es mir und fürchte es gleichzeitig –, geworfene Süßigkeiten, spritzende Schläuche, kreischende Kinder, die herumhuschen und Bonbons und Schokolade von der Straße klauben.
Ich fange an, die Vögel für Polly zu machen. Einen nach dem anderen. Falte auf Falte. Körper. Schnabel. Flügel gegen Flügel gesetzt. Die Ecken sind perfekt. Genauer könnten sie nicht sein. Tiefe Knicke. Meine Nägel sind bis aufs rohe Fleisch runtergekaut. Ich muss ein Falzbein benutzen.
Vogel um Vogel. Zwanzig. Vierzig. Fünfzig. Ich bastle sie spätnachts, am Morgen, in der dumpfen, flachen Hitze des Tages – in unterschiedlichen Größen, Farben, Formen, einige sogar aus Eindollarscheinen –, einige daumengroß, andere beweglich − zupft man am Kopf, flattern die Flügel, werden die kleinen Füße hochgezogen –, ich stelle sie alle oben im Zimmer auf den Boden.
Sechzig. Zweiundsiebzig, und mein Papier ist aufgebraucht, selbst die vergoldete italienische Ware, die überteuert ist und nicht hält, weil sie nicht steif genug ist – ich rufe bei Kate’s Paperie an, um nachzubestellen − Expressversand, sage ich –, trotzdem, sagt man mir, wird es nicht vor Montag ankommen.
Ich kann nicht bis Montag warten. Ich fange an, mein eigenes Papier herzustellen – klebe bunte Taschentücher auf Alufolie –, sie werden hübsch werden, diese Weihnachtsvögel, mehr, als Polly gewollt haben kann, mehr, als sie sich vorgestellt haben mag.
***
Ich nehme Alex’ Kinder mit zum Jahrmarkt. Wir gehen an einem Donnerstag, weil man donnerstags Armbänder für fünfzehn Dollar kaufen kann, die dem Träger erlauben, unbegrenzt auf allen Karussells zu fahren.
Ich hole den Kindern Pizza, die sie hinunterschlingen.
Sebastian ist dreizehn, ganz cool – er klinkt sich bei einer Gruppe von Kumpels ein, verdrückt sich.
»Bis später, Marne«, sagt er, nimmt seine Schwester gar nicht wahr.
»Punkt zehn Uhr am Ausgang.«
»Klar.« Er zuckt mit den Schultern.
Laney bleibt bei mir. Sie ist gerade neun geworden und ein bisschen pummelig, schüchtern, trägt eine Brille. Beim Herumlaufen schiebt sie ihre schwitzige kleine Hand in meine und ich erzähle ihr Geschichten von ihrem Vater Alex, dass er nie Karussell fahren konnte. Wie er einmal ein Mädchen, mit dem er unterwegs war, von oben bis unten vollkotzte. Ich schildere es bis ins ekligste Detail – solche Kleinigkeiten lieben Kinder –, und sie lacht. Sie hat noch ein Klein-Mädchen-Lachen, hat es noch nicht abgelegt, und ich könnte weinen, wenn ich es höre. Wir gehen sechs Mal nacheinander auf die große Rutsche, zischen auf unseren Säcken hinunter, dann zur Achterbahn, anschließend zum Kettenkarussell.
Wir schlendern durch den Streichelzoo, Zicklein knabbern an unseren Händen, dann gehen wir zurück, um uns die Mini-Trecker anzusehen. Gerade haben wir uns annehmbare Plätze auf der Tribüne gesichert, als ich Huck Varick erblicke, der mit einigen Kumpanen und seiner rot gestiefelten kleinen Enkeltochter auf der anderen Seite des Runds sitzt.
Ich überrede Laney, nur kurz beim Traktorziehen zuzuschauen. Sie bettelt, fleht mich an, sie zum Riesenrad zu begleiten, aber das ist das Einzige, was ich nicht mitmache. Diese Kombination von langsamer Drehung und extremer Höhe schaffe ich nicht.
Ich winke ihr hinterher, als die Gondel, in der sie allein sitzt, wegschwebt. Da treffe ich Selma McGuire, die ihre Zwillinge gerade in dasselbe Karussell gesteckt hat. Selma ist mit Elise und mir zur Schule gegangen. Sie drückt
Weitere Kostenlose Bücher