Das Liebesspiel
Gedanken hören, dieses Klicker-Klacker von Gedanken wie kleine Kugeln aus gebranntem Ton, auf einen Draht gezogen …
Es war nicht so, wie alle dachten.
»Schsch.«
Ich sage nichts, aber sie lächelt, schüttelt sanft den Kopf – sanfter, als ich erwartet hätte –, ihr Gesicht, halb wie im Traum, im vertrauten Schatten, dieses Lächeln, als wüsste sie, dass ich lüge.
Einst glaubte ich, es gebe eine Trauer, die ich anfassen könnte, eine Trauer, in der ich mich vergraben könnte, ich glaubte, wenn ich mich nur tief genug hineingrübe, würde ich sie finden, sie wäre solide, sie wäre etwas, das ich hochheben und tragen könnte, ein Gewicht in meinen Armen – aber nicht das hier.
Sie spricht meinen Namen aus, ihre Stimme ein nacktes Flüstern, wie der Winter, ihre Stimme wie ein Fluss, der sich zwischen Steinen hindurchschlängelt.
Es war nicht so, wie alle dachten. Es war nicht so, dass die Welt danach aus den Fugen geriet, sondern dass sie schon immer aus den Fugen gewesen war, nur dass ich mich danach umdrehte und erkannte, dass sie aus den Fugen war. Man kann sich darin verlieren, in der vergänglichen Grellheit eines Augenblicks, eines Augenblicks nach dem anderen. Man ist das Blinken einer Lampe, das kurze Aufleuchten eines Lebens, das geworfen wird, das fällt in das dunkel fließende Dunkel der endlos fließenden Welt.
Das also, nur in deinen Armen, Wind und Wasser in Bewegung …
Doch diese eine Locke.
Hinten in seinem süßen Nacken.
So eigensinnig und ewig. Diese eine Locke.
Langsam blättert Ada durch die Fundstücke zurück, legt sie wieder in die Kiste, in derselben Reihenfolge wie vorher – stockfleckige Zettel, Bilder, Kleinkram –, bis sie wieder zum ersten Foto kommt, dem von ihr mit Green auf der Hüfte, immer noch die Zehen im Wasser.
»Du kannst es behalten«, sage ich. Aber es ist, als würde sie mich nicht hören. Sie fährt wieder über den Rand, über diesen seltsamen blütenförmigen Fleck, der unten rechts das Bild verschmiert hat. Sie legt es zurück zu den anderen. Es wirkt irgendwie herzlos, obwohl ich weiß, dass es nicht so ist. Ich hätte es besser wissen müssen, mir etwas anderes zu wünschen.
Auf ihren Handgelenken, auf ihren langen Fingern sind Schatten, Schatten des Eichenlaubs über uns, die ihre Hände verhüllen. Sie schließt die Zigarrenkiste. Schiebt sie mir über den Tisch wieder zu.
Siebter Teil
PARABELN
VON
SONNENLICHT
Blaue Stunde
MARNE
22 . Juli 2004 , 18 . 30 Uhr
Ich kann die Münze in meiner Tasche spüren, die Münze, die er mir geschenkt hat, sie drückt gegen meinen Oberschenkel. Im Fenster der Wald hinter dem Garten, die unverkennbare Stille am Ende des Tages. Dieses ruhige, verzweifelte Schweigen. Auf dem Sofa neben mir das Buch über das Licht – ich nähere mich seinem Ende.
Diese scheinbar bewegungslosen Wolken bewegen sich am Äquator mit einer Geschwindigkeit von tausend Meilen pro Stunde, ohne dass unsere Sinne auch nur den leisesten Hinweis auf diese rasche Bewegung gäben. Die Erde bewegt sich ebenfalls …
Den Flur hinunter in der Küche höre ich meine Mutter hantieren, das Abendessen vorbereiten, die Ofentür schließen, die Eieruhr stellen, ein Messer aus der Schublade ziehen, die sirrende Klinge, Gemüse – Möhren oder die grünen Bohnen, die wir gepflückt haben –, das auf das Schneidbrett gelegt wird.
Da hängt etwas an der Armlehne des Sofas, auf dem ich sitze. Ein loser Faden. Ich zupfe daran, vorsichtig, ribble das Gewebe auf. Und immer noch drückt die Münze in meiner Tasche.
Es war nach jenem letzten kläglichen Patzer – als ich laut dachte und es erst später merkte, ohne zu wissen, wie viel oder was ich gesagt hatte – mit Sicherheit ein verzweifelter Redeschwall, damit Ray dort sitzen blieb, damit er nicht fortging −, es war, nachdem er mit seinem Kaffeebecher mit dem leckenden Plastikdeckel die drei Stufen nach oben gekommen war und sich neben mich auf die Veranda gesetzt hatte und ich im Schweigen herumstocherte, dieser Schauder, ihn dort bei mir zu spüren, so nah, die zarte Chance, vielleicht etwas rückgängig zu machen, wiedergutzumachen, ohne jedoch zu wissen, wie ich aufgreifen sollte, was wir zurückgelassen hatten, oder so ähnlich. Dann räusperte er sich und spulte ein paar Monate zurück, vor den Sex und andere Offenbarungen, und fragte: »Und, Marne, warum bist du eigentlich zurückgekommen aus Kalifornien?«
Und fast stimmte sie, die Antwort, die ich ihm gab, dass ich
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