Das Lied der Cheyenne
Mädchen, das den Namen Otterfrau bekommen würde. Sie war ihre beste Freundin und hielt einen Ball unter dem Arm.
Büffelfrau hörte nicht hin. »Siehst du meinen Vater?«, fragte sie. »Er ist der tapferste Krieger unseres ganzen Volkes. Wenn ich groß bin, gehe ich mit ihm auf den Kriegspfad.«
»Du? Du bist ein Mädchen!«
»Ich gehe mit ihm.«
»Die Krieger würden dich auslachen«, erwiderte Otterfrau. »Du bist ein Mädchen, und Mädchen gehen nicht auf den Kriegspfad. Du sollst heiraten und viele Kinder bekommen, so wie meine Mutter, die hat sieben Kinder, und meine andere Mutter hat nochmal drei. Eine Frau gehört zu ihrem Mann, sagt sie immer, sie soll für ihn sorgen und ihm den Haushalt führen.«
»Ich will nicht kochen.«
»Kochen macht Spaß.«
»Ich will mit den Männern wegreiten und unseren Feinden die Pferde rauben«, sagte Büffelfrau beinahe trotzig. »Ich will so stark wie mein Vater werden.«
»Das kannst du nicht.«
»Das kann ich wohl.«
»Außerdem sagen alle, dass du bei dem alten Schamanen in die Lehre gehen wirst. Willst du verheiratet sein und die Kranken heilen und mit den Männern in den Krieg ziehen?«
»Du wirst es sehen.«
Otterfrau lachte und fuhr sich mit der freien Hand durch die schulterlangen Haare. Sie war stolz auf ihre schwarzen Haare, und sie hatte gemerkt, dass man die Jungen damit verlegen machen konnte. Roter Mond, der vier Winter älter als sie war und nachts die Pferdeherde bewachte, blieb auch jetzt wieder stehen und blickte sie lange an. Das Mädchen hatte keine Ahnung, warum er so verlegen wurde und nicht zu wissen schien, was er sagen sollte, aber sie genoss das Gefühl, ihn aus der Fassung zu bringen. Roter Mond war der Tapferste unter den jungen Männern seines Alters und wurde sonst nie verlegen.
»Was ist, Roter Mond?«, fragte Otterfrau. »Warum bist du nicht bei den Männern? Nimmt Büffelhöcker dich nicht mit?«
»Meine Zeit wird kommen«, antwortete der Junge mürrisch, »im Mond der reifen Kirschen werde ich auf meine erste Büffeljagd gehen und den größten Bullen erlegen.«
»Dein Bogen ist viel zu klein.«
»Mein Bogen ist groß genug«, erwiderte Roter Mond. Er warf sich in Pose und klopfte auf den neuen Bogen, den er wie eine Trophäe auf dem Rücken hängen hatte. »Du wirst sehen, bevor drei Monde vergehen, werde ich einen Namen haben und auf meinen ersten Kriegspfad gehen. Ich werde so tapfer sein wie Büffelhöcker und mit Skalpen behangen ins Dorf zurückkehren.«
»Du führst große Reden, Roter Mond.«
»Und du bist ganz schön frech für ein Mädchen!«
Büffelfrau fand ziemlich albern, was ihre Freundin und Roter Mond redeten, und ging ihrem Vater entgegen, der gerade aus dem Zelt des Schamanen kam. Er hielt seine Kriegspfeife in der linken Hand, und sein narbiges Gesicht sah zufrieden aus.
»Warst du bei Sieht-hinter-die-Berge?«, fragte sie.
Büffelhöcker nickte. »Ich habe die Pfeife mit ihm geraucht. Das tun alle Anführer, bevor sie in den Krieg ziehen. Nur der Schamane weiß, wie uns die Geister gesonnen sind. Er weiß, in welche Richtung wir reiten müssen und wo wir die Feinde finden können. Er hat das Kriegslied für uns gesungen.«
»Wirst du lange wegbleiben, Vater?«
»Zwei Monde, vielleicht drei.«
»Das ist sehr lange.«
»Ich werde viele Pferde bringen, Büffelfrau. Du wirst stolz auf mich sein.« Büffelhöcker nahm seine Tochter in den Arm und genoss das Gefühl, von ihr gebraucht und bewundert zu werden. »Und wenn ich zurückkomme, werden wir ein großes Fest feiern. Wir werden Büffelzungen essen und die ganze Nacht tanzen.«
»Ja, Vater.«
Büffelhöcker ließ seine Tochter los und kehrte zu Weidenfrau und Windfrau in das Tipi zurück. Das Mädchen blickte ihm nach, schimpfte einen Hund, der vor ihren Füßen winselte, und ging zu ihrer Freundin. Roter Mond war weitergegangen, und sie spielte jetzt mit ihrer älteren Schwester und einem dicken Mädchen, das einmal Blitzfrau heißen würde. Sie war eine große Spaßmacherin und drosch den Ball, eine mit Antilopenhaar gefüllte Hirschlederhülle, über das große Tipi von Büffelhöcker in die Prärie hinaus. »Wetten, dass mich keine einholt?«, forderte sie ihre Freundinnen heraus.
Blitzfrau rannte los und hatte schon einige Meter Vorsprung, bevor die anderen merkten, was sie vorhatte. Obwohl sie fast doppelt so viel wog wie die anderen Mädchen, bewegte sie sich erstaunlich geschickt und schnell. Sie erreichte den Ball als Erste, nahm ihn
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