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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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nach dem Konzert bei den Bakanews im Landauer abholte. » Ich bin hier, um die Gräfin meines Mitgefühls zu versichern. « Er sieht Grischa ebenfalls an. » Und Sie, Naryschkin? «
    » Wie – und ich? «
    » Warum sind Sie hier? «
    Grischa bleibt stehen, sodass Walentin ebenfalls anhalten muss. » Sie wissen doch, dass ich der Verwalter bin. Ich helfe der Gräfin, das Gut zu betreiben, so wie ich den verstorbenen Grafen unterstützt habe. «
    » Ich verstehe. «
    Diese zwei Worte klingen herablassend in Grischas Ohren, um nicht zu sagen beleidigend. Er beobachtet, wie Kropotkin die Hände faltet und sie zusammenpresst, wie um seine Finger zu lockern. Sie sind lang und schmal. Die unerwartete Geste erinnert Grischa an Michail.
    Das liegt daran, dass beide Musiker sind, sagt er sich.
    Als Grischa ihn durch die breite, hohe Eingangstür führt und Walentin das Haus betritt, bemerkt er, dass es auffällig wenige Dienstboten für ein so großes Haus gibt. Ganz anders als bei den Bakanews, wo ständig irgendwelche Diener mit einem Tablett unterwegs sind und Dienstboten umherhuschen, die für Reinigungsarbeiten zuständig sind.
    Am Hauseingang steht ein älterer Mann in Butleruniform, der Einzige, dem er begegnet. Ebenso merkwürdig findet es Walentin, dass der Verwalter ihn ins Haus geleitet. Als er in den Hof geritten ist, stieß der Verwalter einen Pfiff aus, woraufhin ein junger Bursche aus dem Stall gerannt kam, um sich seines Pferdes anzunehmen.
    Grischa wartet an der Haustür, während Pawel dem Gast Mantel und Hut abnimmt. Der alte Diener verbeugt sich kurz und deutet mit der Hand zu dem breiten langen Flur, der zur Bibliothek führt.
    Antonina hat beschlossen, ihren Gast in dem gemütlichen, von Buchregalen gesäumten Raum zu empfangen. Grischa hört verstohlene Schritte am oberen Treppenabsatz und bemerkt Lilja, die Walentin mit den Augen verfolgt. Dann schwenkt ihr Blick zu Grischa, und diesem entgeht der missbilligende Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht.
    Als Walentin ohne ein weiteres Wort auf die kunstvoll geschnitzte Tür zugeht, spürt Grischa, wie erneut Ärger in ihm aufsteigt. Dieser Mann hat wohl vergessen, dass er bis vor weniger als einem Jahr noch ein Leibeigener war. Dass er sich noch vor einem Jahr tief vor Grischa, der ihm als freier Mann standesgemäß überlegen war, hätte verbeugen müssen, wollte er nicht wie ein Schulbub abgekanzelt werden.
    Aber vielleicht hat der Musiker es gar nicht vergessen – wie könnte man die Regeln, die praktisch das ganze bisherige Leben bestimmt haben, so schnell vergessen? –, sondern will Grischa bewusst bedeuten, dass Schluss ist mit diesen Unterwürfigkeiten. Dass sie nun demselben Stand angehören, sie beide frei sind.
    Während Pawel die Tür aufmacht und Walentin hineinbittet, wartet Grischa noch immer und lauscht. Es ist ihm unbegreiflich, wie Antonina diesem albernen, weibischen Mann erlauben kann, sie zu besuchen. Grischa hört Antoninas Stimme, versteht aber weder, was sie sagt, noch Kropotkins Antwort. Dann schließt Pawel die Tür und nimmt seinen Platz davor ein. Lilja steht noch immer auf dem oberen Treppenabsatz.
    Antonina hat beschlossen, während Kropotkins Besuch auf eine Gesellschafterin zu verzichten.
    Grischa fühlt sich unwohl in seiner Haut – nein, mehr noch, die Anwesenheit dieses Kropotkin im Gutshaus beunruhigt ihn zutiefst; der Mann hat etwas an sich, was ihm unter die Haut geht. Aber er kann nicht einfach ohne triftigen Grund im Vestibül verweilen. Also dreht er sich um und verlässt das Haus; er will nicht, dass Pawel oder Lilja seine Gefühle von seinem Gesicht ablesen können.
    Walentin Wladimirowitsch ist es gewohnt, von den Frauen angehimmelt zu werden; auch wenn ihm deren verzwickte Gefühlswelt ein Rätsel ist. Es ist jedes Mal das Gleiche: zuerst die übertriebenen Seufzer und schmachtenden Blicke, dann die ersten Berührungen, denen weitere, weniger zaghaftere folgen, dann die erste melodramatische Phase ihrer Affäre und schließlich das Ende.
    Es ist ebenso gleichförmig und ermüdend wie der Rhythmus von Regenwasser, das von einem Dach tropft. Und doch genießt er dieses Spiel noch immer und hat schon vor langer Zeit die kleinen Belohnungen für dieses Spiel zu schätzen gelernt. Er gibt den Frauen, was sie wünschen – gleich, nach welcher Form der Bewunderung oder des Respekts oder der Romanze oder Sinnlichkeit ihnen gelüstet. Und als Ausgleich bekommt er von ihnen, was er braucht.
    Als er Prinzessin Olonowa –

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