Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Konstantin. Die Mutter des Kindes hatte recht, wie immer. Ich hätte auf sie hören sollen.
Hinter ihm wird Hufgetrappel laut, er wirbelt herum. Es ist Grischa, und er führt den grauen Araber am Zügel.
» Grischa « , sagt er. » Gott sei Dank. Sie haben Michail entführt. Sie haben meinen Sohn. Reite ihnen nach, Grischa. «
Grischa bringt den Araber neben Konstantin zum Stehen und lässt dessen Zügel los. Dieser will sich mit der unversehrten Hand in den Sattel ziehen. Aber er fällt in den blutbefleckten Schnee, versucht erneut aufzusitzen, fällt erneut zurück. Seine linke Hand zittert, als er nach Westen deutet, zu dem dichten Wald, in den die Entführer verschwunden sind.
Grischa galoppiert in die ihm gewiesene Richtung und wird von den Bäumen verschluckt.
ZWEI
D er Schrei einer Magd im Hof lässt Antonina aufschrecken.
Mit beiden Händen rafft sie ihren weiten Rock hoch und rennt zum Eingang. Als sie die Tür aufreißt, sieht sie, wie Grischa Konstantin von seinem Araber herunterzieht. Beinahe wäre ihr Mann gestürzt, hätte Grischa ihn nicht mit festem Griff gehalten.
Augenblicklich begreift sie, was das bedeutet: Konstantin, der von Grischa gestützt wird. Irgendetwas stimmt mit ihrem Mann nicht. Und wo ist ihr Sohn?
» Mischa « , sagt sie. » Mischa. « Halb zieht und halb trägt Grischa Konstantin mithilfe von Ljoscha, dem Stallburschen, zum Haus.
» Lass uns losreiten, Grischa! « , ruft Ljoscha, der Mühe hat, dem Gewicht des Grafen standzuhalten. » Ich hole gleich die anderen. Wir dürfen ihnen nicht noch mehr Vorsprung lassen. «
Antonina spürt, wie ihr Mund trocken wird, die Angst schnürt ihr die Kehle zu, sie bekommt keinen Ton heraus. Nicht einmal den Namen ihres Sohnes bringt sie über die Lippen.
Grischa schüttelt den Kopf und zischt Ljoscha zu, er solle den Mund halten. » Wir müssen ihn erst hineinschaffen. Dann reiten wir los. «
Während sie sich am Türrahmen festklammert, starrt Antonina den aufgeknöpften Mantel ihres Mannes an, sein blutbeflecktes Hemd und die Hand, die mit einem Schal umwickelt ist, Grischas Schal, wie sie sieht. Die Männer schieben sich an ihr vorbei, und sie kann die Ausdünstungen der Angst und den metallischen Geruch von Blut riechen. Als sie Konstantin auf das mit smaragdgrüner Seide bezogene Kanapee im Salon betten, steht sie neben ihnen.
Grischa richtet sich auf und sieht sie an, und plötzlich ist es, als stünde für einen Moment alles um Antonina herum still.
Bedienstete scharen sich in der offenen Tür, stoßen sich schweigend an und bekreuzigen sich. Antonina erblickt Lilja, ihre Zofe, unter ihnen, die die Schulter ihres jüngeren Bruders Ljoscha umklammert, als wolle sie ihn beschützen, obwohl er größer ist als sie und sie den Arm nach oben recken muss.
Wenn sie sich jetzt bewegt oder spricht, fürchtet Antonina, wird sie die Beherrschung verlieren oder etwas völlig Verrücktes tun – mit den Armen fuchteln oder zu Boden stürzen und mit den Beinen strampeln, sodass ihre Spitzenunterröcke unter den Augen der Dienerschaft zum Vorschein kommen. Und sie wird losheulen, oh, sie weiß, dass sie heulen wird wie eines dieser Klageweiber, die wehklagend hinter dem Sarg her zum Friedhof ziehen.
Nein. Sie darf, wird sich keine Blöße geben. Schließlich sagt sie: » Mein Sohn. Wo ist mein Sohn, Konstantin? «
Als Konstantin die Augen schließt und das Gesicht zur Rückenlehne dreht, antwortet Grischa statt seiner: » Er wurde mitgenommen, gnädige Frau. Ich bin dem Grafen und Ihrem Sohn gefolgt, wie von Ihnen geheißen, aber ich habe ein wenig Abstand gehalten. Denn wenn der Graf mich gesehen hätte … Als ich dann auf der Lichtung angekommen bin und ihn gefunden habe « – er deutet mit einer Kinnbewegung auf Konstantin –, » waren die Männer schon weg. Ich bin in die Richtung geritten, in die mich der Graf wies, aber nach kurzer Zeit habe ich ihre Fährte verloren. Es gab zu viele Spuren im Wald, Gräfin. Außerdem musste ich zum Grafen zurück, um ihn nach Hause zu bringen. Seine Hand … «
Ljoscha löst sich von der Dienerschar an der Tür und tritt einen Schritt vor. » Lass uns hinter ihnen herreiten, Grischa. «
Grischa starrt ihn an, bis Ljoscha zurückweicht. Lilja legt ihrem Bruder die Hand auf den Arm. Grischa ist der Verwalter. Er berichtet direkt an den Grafen. Von Grischa nehmen die anderen Bediensteten ihre Befehle entgegen.
Ohne Vorwarnung steigt ein Schwall bitterer Galle in Antoninas Kehle hoch. Die Faust
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