Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
hängt. Eine weitere flinke Bewegung mit dem Säbel, und die Börse fliegt durch die Luft, der Kosak fängt sie mit der linken Hand und stopft sie in seine Manteltasche.
Aber Konstantin spürt keine Erleichterung. Die Männer kreisen sie noch enger ein. Er weiß, was als Nächstes kommen wird. Ihm ist, als würde ihn ein unsichtbares Gewicht zur Seite ziehen, und plötzlich fürchtet er, dass er jeden Moment zu Boden stürzen wird, etwas, was ihm nicht mehr widerfahren ist, seit er drei war und von seinem ersten Pony fiel.
Der Kosak pflanzt jetzt die Spitze seines Säbels an Konstantins Hals. » Gib mir die Zügel von deinem Jungen. «
Konstantin rührt sich nicht, er weiß genau, was das bedeutet. » Bitte. Verschont das Kind, ich flehe euch an. Was hättet ihr denn von ihm? Er ist doch nur ein Junge und noch nicht mal ein richtiger Reitersmann! Er wird euch nur aufhalten. In Gottes Namen, ich gebe euch, was … « Er unterbricht sich, denn die Säbelspitze bohrt sich jetzt tiefer in seinen Hals, ein kurzer dumpfer Ton ist zu hören, der in seinen Ohren widerhallt wie das Knallen eines Champagnerkorkens. Die Wunde brennt, als würde eine Flamme an seine Haut gehalten werden.
» Gib mir die Zügel « , sagt der Kosak erneut. Er lässt seinen Säbel ein wenig sinken, und seine andere Hand, eine muskulöse Pranke, schießt nach vorn und entreißt Konstantin die Lederzügel; der Graf ist etliche Jahre älter als der Kosak und ihm an Kräften bei Weitem unterlegen.
Während der Wallach mit dem Jungen vor seinem Araber vorbeitänzelt, starrt Michail ihn an. » Papa? « , sagt er. Er ist kein besonders gehorsamer Junge, aber in diesem Moment will er, dass sein Vater ihm sagt, was er tun soll.
Konstantins Blick fällt auf den unteren Rand von Michails talmotschka, seinen Mantel, in den mit blauer Wolle sein Name eingestickt ist. Unwillkürlich hat er wieder das Bild vor Augen, wie sich Antonina mit Nadel und Faden über den Steppmantel ihres Sohnes beugte.
» Bitte « , fleht Konstantin, und er hört selbst, wie schwach seine Stimme klingt, die Stimme eines alten Mannes. Hilflos. Er hat nicht mal mehr eine Waffe, wie soll er sich da verteidigen. Ein alter Mann gegen drei – es sind nur drei Männer, wie er jetzt sieht –, aber junge, kräftige Kerle. Dennoch lehnt er sich im Sattel zur Seite und zieht mit der unversehrten Hand den Kosaken am Ärmel. Schneid mir die Hand ab, denkt er, schneid sie ab, von mir aus auch beide, sodass jedermann sehen kann, dass ich alles versucht habe, meinen Sohn zu retten.
Aber der Kosak schiebt seinen Säbel ungerührt wieder in die Scheide, während er Konstantins Hand abzuschütteln versucht. Konstantin klammert sich jedoch an den Ärmel. Der Kosak gräbt die Fersen in die Flanken seines Pferds, das sich auf der Hinterhand aufbäumt. Dabei wird Konstantin zu Boden gerissen, und sein Araber stürmt mit angelegten Ohren in den Wald. Der Kosak lenkt seinen glänzenden Dunkelfuchs in die entgegengesetzte Richtung. Während er Michails Pferd am Zügel führt, reitet er davon, und die anderen beiden folgen ihm.
Michail dreht sich im Sattel um und blickt zu seinem Vater zurück. Konstantin ist schon wieder auf den Füßen und ruft seinem Sohn nach: » Es wird alles gut, Michail. Sei ein braver Junge. Tu, was sie dir sagen. Ich werde dich später holen kommen. Ich werde dich holen. Hab keine Angst. « Er redet sich ein, dass seine Stimme sicher klingt, dass es ihm gelungen ist, Michail zu beruhigen. Oder doch nicht? Michails Gesichtsausdruck ist panisch, seine graugrünen Augen sind weit aufgerissen, wirken übergroß, aber er bleibt stumm.
Ein tapferer Junge, denkt Konstantin einen Moment lang, der ihm merkwürdig gedehnt vorkommt. » Das Lösegeld! « , schreit er, während die Männer tiefer in den Wald vordringen. Michail dreht sich noch immer halb zu ihm um, schaut über die Schulter zu ihm zurück. » Das Lösegeld! Gleich, wie viel, ich werde es umgehend zahlen. Egal, welche Summe! Nennt mir irgendeine Summe! « Er beobachtet, in welche Richtung sich die Kosaken entfernen, während er gleichzeitig versucht, zwischen den dicht stehenden Bäumen sein eigenes Pferd auszumachen. Er muss ihnen folgen.
Als Michail seinen Vater die letzten Worte rufen hört, beginnt sein Mund zu zucken. Er dreht sich um, seine kleinen Schultern sind hochgezogen, sein Haar glänzt im Sonnenlicht, das zwischen den hohen, wogenden Bäumen in den Wald dringt.
Es ist zu kalt für ihn ohne Mütze, denkt
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