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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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gegenübertreten musste. Er fragte den Kellner, ob das dünn geschnittene Kalbfleisch auch frisch sei, und lächelte ihr dann über den Tisch hinweg zu. Sie zwang sich, sein Lächeln zu erwidern.
    Sie besuchten die Morgenmesse und spazierten anschließend durch die hübsche, von Zierbäumen gesäumte Allee des Pskow’schen Parks, als Konstantin sagte: » Es gehört sich vielleicht nicht für einen Gentleman, es anzusprechen, aber ich muss es doch tun: Es tut mir leid wegen … gestern Nacht. Wollen wir es mal der Tatsache zuschreiben, dass du noch so jung bist. «
    » Du willst also sagen, es war meine Schuld? « Antonina bemühte sich, ihre Entrüstung zu verbergen. Die Luft war erfüllt vom pfeffrigen Duft der Ringelblumen, die noch immer blühten.
    » Du bist zwar recht hübsch, aber zu dünn, zu zerbrechlich. Ich bevorzuge großgewachsene und stattliche Frauen wie meine verstorbene Ehefrau. «
    Antonina blieb abrupt stehen, zu überrascht, um verletzt zu sein. Sie rief sich die herbe knochige Gestalt seiner Frau in Erinnerung.
    Konstantin hielt ebenfalls inne und brachte ein Taschenmesser zum Vorschein. Er klappte es auf und betrachtete seine Fingernägel. » Du bist noch nicht besonders interessant, Tosja. « Antonina erstarrte angesichts seiner beleidigenden Bemerkung. » Du magst zwar hervorragend Klavier spielen … « – er machte eine Pause, ehe er fortfuhr –, » aber davon abgesehen bist du noch unerfahren und hohl. « Er schnitt sich die Nägel seiner linken Hand und sprach in einem so beiläufigen Ton, als verkündete er, dass er keinen Meerrettich mochte. » Man kann nur hoffen, dass sich deine Gewöhnlichkeit mit der Zeit legt. «
    Antonina starrte ihn fassungslos an, während sie spürte, wie das Feuer in ihr erglomm, ganz langsam zunächst wie ein von Moos bedeckter Brandherd. Doch plötzlich schlugen die Flammen hoch und ergriffen von ihr Besitz, und ein Gefühl der Erleichterung überkam sie. Sie wandte sich ihm zu, baute sich vor ihm auf. » Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? «
    Konstantin bedachte sie nur mit einem beiläufigen Blick, dann hielt er seine Hand vors Gesicht und inspizierte seine Fingernägel.
    » Du glaubst also, ich sei hohl? Hohl? « Das Wort klang abgehackt in ihren Ohren. Ein vorbeikommendes Paar sah sie an und ging dann eilig weiter. » Du hältst mich für hohl – für schwachköpfig, eine Idiotin mit nicht mehr Verstand als ein Stör? Wenn du so von mir denkst, warum hast du meinem Vater dann eine so hübsche Belohnung für mich gegeben? Warum, Konstantin Nikolajewitsch? «
    Als er nicht antwortete, sagte sie: » Tut mir leid, dass du so denkst, mein Gatte. Dass du mir die Schuld für die gestrige Nacht gibst, obwohl es doch ganz offensichtlich für uns beide eine schwierige Situation war. «
    Er steckte sein Taschenmesser zurück. » Es reicht jetzt, Antonina « , sagte er mit gesenkter Stimme. » Anständige Menschen reden nicht über diese intimen Details. «
    Aber Antonina war noch nicht fertig. » Du hast das Thema angeschnitten. Ich kann meine körperliche Erscheinung genauso wenig ändern wie diese Statue dort « , sagte sie und deutete zu einem Marmorstandbild inmitten eines kreisförmigen Begonienbeets. » Aber eines weißt du ganz genau, dass es nicht an mangelnder Intelligenz meinerseits liegt. Du brauchst nicht gemein zu sein, nur weil du enttäuscht bist. « Etwas sanfter fuhr sie fort: » Was meine Gefühle anbelangt, als du gestern Nacht auf mir lagst, solltest du vielleicht auch berücksichtigen, dass … «
    Konstantins Kopf fuhr hoch, und er umklammerte schmerzhaft ihren Oberarm. » Habe ich dich nicht gerade gebeten, nicht wie eine gewöhnliche Frau zu sprechen, und doch widersetzt du dich mir ein zweites Mal? Du bist jetzt die Gräfin Mitlowskaja und wirst lernen, dich in angemessener Weise zu verhalten und nicht mehr wie ein eigensinniges Kind. Du bist jetzt kein Kind mehr, begreif das endlich, sondern eine Frau, und zwar meine Frau und damit die neue Gräfin auf meinem Gut. « Er ließ ihren Arm los.
    Antonina widerstand dem Impuls, sich den Arm zu reiben.
    Konstantin wischte sich mit seiner behandschuhten Hand die Stirn ab. » Antonina, ich glaube, wir sind beide müde von den Anstrengungen der vergangenen Tage. Lass uns an unserem ersten Tag als Mann und Frau nicht streiten. Ich will doch nur, dass wir glücklich sind. Lass uns über angenehmere Dinge reden. « Er lächelte sie an. » Ich werde mein Gut dir zu Ehren umbenennen.

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