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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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gesäumt war. Vor einer Hütte , ähnlich jener, die sie zurückgelassen hatten, wurden sie abgeladen; sie bestand aus einem einzigen Raum, der aus Holzstämmen gebaut und mit teergetränkter Jute abgedichtet war. Der Mann und die Frau in der offenen Tür verfluchten beim Anblick des Geschwisterpaars ihr Schicksal. Ihre eigenen drei Kinder waren ein paar Jahre zuvor an Fieber gestorben, und die Eltern hatten ihren Tod trotz ihrer Trauer als Gnade betrachtet. Wenigstens mussten sie jetzt nicht mehr zusehen, wie ihre Kleinen Hunger litten und unter diesen erbärmlichen Zuständen groß wurden. Außerdem konnten sie ohne die Kinder mehr arbeiten und hatten mehr Essen zur Verfügung. Seither hatten sie zu Gott gebetet, er möge ihnen keine weiteren Kinder schenken.
    Als Lilja und Ljoscha vor ihrer Tür abgeladen wurden, einen kleinen Sack mit ein paar zusätzlichen Kleidungsstücken neben sich, schüttelten der Mann und die Frau entsetzt den Kopf.
    » Für den Jungen übernehmen wir keine Verantwortung « , sagte der Mann zu Lilja.
    Das Mädchen nickte. » Ich kümmere mich um ihn. « Sie legte Ljoscha den Arm um die Schultern, und er schmiegte sich vor Kälte zitternd und mit blauen Lippen an sie. » Ich arbeite für unser Essen. Alles, worum ich euch bitte, ist ein Dach über dem Kopf. « Am zweiten Tag ihrer Reise auf dem schaukelnden Karren hatte Ljoscha aufgehört, nach seiner Mutter zu fragen. Lilja hatte ihm gesagt, dass er sie nie wiedersehen würde und dass von nun an sie seine Mutter sei. » Ich heiße Lilja, und das ist Ljoscha. «
    » Und wir sind Mascha und Osip « , sagte die Frau, dann drehte sie sich um und ging in die Hütte zurück. Osip folgte ihr. Lilja nahm Ljoschas Hand und ergriff den Sack. Ohne dem Kutscher einen Blick zuzuwerfen, betraten sie und ihr Bruder ihr neues Heim und schlossen die Tür hinter sich.
    Vermisste Lilja ihre Eltern? Der Schmied und seine Frau hatten ihren Kindern nie Zuneigung geschenkt, denn die harte Arbeit und das entbehrungsreiche Leben hatte die beiden ausgezehrt und stumpf gemacht. Und doch sehnte Lilja sich nach Hause zurück, wo sie alles und jeden kannte. Auf der Reise von ihrer alten armseligen Behausung zu ihrer neuen hatte sie sich gelobt, sich nie wieder an einen Ort zu binden, da sie von einem Moment zum nächsten jederzeit woanders hingeschickt werden konnte. Doch eines würde sie nie zulassen: dass man sie und Ljoscha trennte, denn er war jetzt ihre einzige Familie.
    Manchmal dachte sie sogar, dass sie für ihn sterben würde.
    Traurig machte Lilja auch der Gedanke, dass sie Antonina Leonidowna nie mehr wiedersehen sollte. Noch nie hatte sie jemanden gekannt, der so herrlich duftete wie sie. Manchmal, wenn sie auf dem gefällten Baumstamm gesessen und sich unterhalten hatten, hatte sie Antoninas Duft tief eingesogen. Während der Zeit ihrer Freundschaft schrubbte sie sich vor ihren sonntäglichen Treffen Gesicht, Hände und Unterarme und flocht sich die Haare neu. Ihre Eltern dachten, sie würde sich für den Kirchgang so gründlich waschen. Sie war froh, dass sie nicht erklären musste, warum sie ihren geflickten Alltagsrock und ihre Bluse gegen ihren Sonntagsrock und ihre Sonntagsbluse austauschte, beides genauso schlicht, nur neuer und sauberer.
    Abends vor dem Einschlafen, wenn sie neben Ljoscha auf einer Lage zerlumpter Decken auf dem Boden lag, während ihre Eltern auf dem langen, breiten Ofen schliefen, wo es im Winter schön warm und im Sommer angenehm kühl war, dachte sie an Antonina.
    Wenn Antonina im Sommer, wenn es heiß war, die Ärmel ihres Kleides hochschob, betrachtete Lilja verstohlen ihre Arme. Die winzigen hellen Härchen waren auf ihrer blassen Haut kaum zu sehen, und Lilja stellte sich vor, wie es wäre, sie zu berühren – bestimmt fühlten sie sich seidig an.
    Auch an Antoninas Lippen musste sie oft denken, und wie es war, als sie sie geküsst hatte. Lilja hatte ihre Freundschaft beendet, und doch hatte es ihr am Ende nichts geholfen. Sie wusste nicht, warum Antonina ihrem Vater von ihren Treffen erzählt hatte, war sich jedoch sicher, dass dies der Grund war, warum sie und Ljoscha fortgeschickt worden waren.
    Als Prinz Olonow mit seinen Männern zur Tür ihrer Hütte hereingestürmt war, war sie von der Bank aufgesprungen. » Lilja Petrowna? « , hatte er gesagt, und sie hatte schwer geschluckt.
    Es war, als hätte sie es die ganze Zeit erwartet. Sie hatte eine Sünde begangen, indem sie die Prinzessin liebte, und sie hatte gewusst,

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