Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
Vom Netzwerk:
kleinere Feste geplant und organisiert werden. Nach einer gewissen Zeit stellte sie fest, dass es noch einen weiteren Unterschied zu ihrem früheren Leben gab: Sie fühlte sich einsam. Eine Einsamkeit, die dem Umstand geschuldet war, dass sie nun keine vagen, unbestimmten Hoffnungen auf die Zukunft mehr hegen konnte.
    Dies war ihre Zukunft. Sie war nun eine verheiratete Frau, mit einem Mann, der alle paar Abende sein eigenes Schlafzimmer verließ und über den langen Gang zu ihrem Zimmer schritt, um ihr einen Besuch abzustatten.
    Antonina blieb noch drei Wochen lang Jungfrau; wobei es nicht daran lag, dass ihr Gatte nicht versucht hätte, diesen Umstand zu ändern.

FÜNFZEHN
    N achdem sie und Ljoscha in jenem Dezember 1845 von Prinz Olonow an ihren neuen Herrn, Graf Konstantin Mitlowski, verkauft worden waren, hatte Lilja nicht damit gerechnet, die Prinzessin je wiederzusehen.
    Lilja und Ljoscha wurden auf den hinteren Teil eines offenen Bauernkarren verfrachtet, dessen Räder im Winter durch Kufen ersetzt worden waren. Der Karren wurde von einem langfelligen Pferd mit schadhaftem Kummet gezogen, dessen primitives Zaumzeug aus Schnüren bestand. Es war bitterkalt. Der Kutscher, ein junger Mann, dessen Gesicht zur Hälfte von einem burgunderfarbenen Muttermal bedeckt wurde, warf Lilja und Ljoscha ein paar von Flöhen befallene Wolfsfelle zu, um sich gegen die Kälte zu schützen. Lilja war froh, dass auf dem Karren auch zwei Ziegen angebunden waren; die Tiere stanken zwar, aber sie und ihr kleiner Bruder schmiegten sich eng an sie, um sich zu wärmen.
    Der Kutscher trug einen Wolfspelzmantel und hockte mit eingezogenem Kopf und gebeugtem Oberkörper auf dem Kutschbock, um sich vor dem kalten Wind und dem gelegentlichen Schneefall zu schützen. Er rauchte Pfeife oder kaute Sonnenblumenkerne. Manchmal bekamen Lilja oder Ljoscha, die hinter ihm im Stroh kauerten, die Hülsen ab, die der Mann nachlässig ausspuckte. In der ersten Stunde weinte Ljoscha leise, dann schlief er in Liljas Armen ein, und sie betete, er möge bis zum Ende ihrer Reise weiterschlafen. Als es dunkel wurde, lenkte der junge Mann Pferd und Karren in einen niedrigen Stall, der von einem Ofen in der Ecke gewärmt wurde. Als er einen Jutebeutel aufschnürte und einen Kanten Schwarzbrot herausholte und ihn Lilja reichte, sah er sie eindringlich an. Dann nahm er ein Stück getrockneten Fisch und zwei gekochte Kartoffeln aus dem Beutel.
    » Magst du was davon? « , fragte er, und Lilja nickte. » Mal sehen. « Dann aß er vor Liljas und Ljoschas Augen eine Kartoffel. Während der Mann genüsslich kaute, hustete Ljoscha immer wieder. Als der Kutscher die zweite Kartoffel zum Mund führte, hatte Lilja verstanden. Sie nickte, und er ließ die Hand wieder sinken.
    » Wenn er schläft « , sagte sie. Der Kutscher verschwand mit seinem Jutebeutel nach draußen. Sie gab Ljoscha das Brot und sah zu, wie er es aß. Dann wiegte sie ihn in ihren Armen, bis er wieder einschlief.
    Der Mann kam zurück, in der einen Hand eine Laterne, in der anderen den Jutebeutel.
    Sie streckte die Hand aus. » Zuerst den Fisch und die Kartoffel. «
    » Ich muss euch nichts davon geben « , erwiderte der junge Mann.
    » Gott sieht alles « , sagte sie und bekreuzigte sich. » Und morgen früh musst du uns heißen Hirsebrei und Tee bringen. «
    Er bekreuzigte sich ebenfalls, dann reichte er ihr den Beutel. Sie legte ihn neben Ljoscha. Als eine der Ziegen an dem Sackleinen zu rupfen begann, schob sie den Beutel weiter weg. Sie zitterte vor Kälte und Angst, aber Ljoscha brauchte mehr als einen Kanten Schwarzbrot, um am Leben zu bleiben. » Wirst du das tun? Uns morgen früh Hirsebrei und Tee bringen? « , fragte sie, und der junge Mann nickte.
    » Dann beeil dich « , sagte sie, » und weck ihn ja nicht auf. « Sie nahm ihr Schultertuch ab und breitete es zärtlich über Ljoscha, sodass sein Kopf bedeckt war. Dann legte sie sich mit dem Rücken ins Stroh, und als der Kutscher in sie eindrang, biss sie an seiner Schulter in den übel riechenden Stoff seines Mantels, um nicht laut zu schreien und ihren kleinen Bruder zu wecken. Sie war erst vierzehn und Ljoscha erst vier.
    Die Fahrt dauerte weitere zwei Tage. Jeden Abend, wenn Ljoscha erschöpft vom Husten einschlief, gab sich Lilja dem Kutscher für ein anständiges Essen und eine zusätzliche Decke hin. Das Dorf, in das der Prinz sie schickte, entpuppte sich als eine lang gezogene Straße, die von schiefen strohgedeckten Hütten

Weitere Kostenlose Bücher