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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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er eben ›Ja‹ gesagt hat, dann bezog sich das auf deine erste Frage, ob er gut geschlafen habe.«
    »Oh, das wusste ich nicht.«
    »Dann weißt du es jetzt. Und wo wir gerad von dir sprechen: Du sagtest vorhin, der Listig, den du kennen würdest, trät nie allein auf. Wer bist du, dass du mich kennen willst?«
    »Ich habe von dir und Pausback gehört.«
    »Das haben viele.« In Listigs Stimme schwang Stolz mit. »Unser Ruf eilt uns voraus.«
    »Schüpplings Olitäten haben beste Qualitäten«, brummte Pausback und schnaufte erleichtert. Er hatte im Angesicht dieser atemberaubend hübschen jungen Frau seinen ersten Satz herausgebracht.
    Alena beschloss, mit ihrem Namen nicht mehr hinter dem Berg zu halten. Sie war gespannt, ob Listig, der Gewitzte, damit etwas anfangen konnte. »Ich heiße Alena.«
    »Soso. Aha. Wenn Namen Schall und Rauch sind, dann handelt es sich hier um einen besonders schönen Schall und einen besonders schönen Rauch!« Listig griente, zeigte ansonsten aber kein Erkennen. Er deutete auf eine Stelle im Laub, und Alena sah mit Staunen, dass Pausback dort ein mächtiges hölzernes Tragegestell hervorzog. Der Riese stellte es aufrecht hin, ergriff seinen Gefährten, als wäre dieser ein Spielzeug, setzte ihn in das Gestell und nahm es auf die Schultern. Listig schien das Spaß zu machen, er verkündete aus luftiger Höhe: »Ich bin Pausbacks Kopf, und Pausback leiht mir seine Füße. Zusammen sind wir eins, Gevatterin Alena!« Dann hielt er inne, kräuselte die Stirn und wiederholte nachdenklich: »Alena, Alena? Da fällt mir etwas ein! Anderthalb Jahre ist’s wohl her, dass mein Freund Klingenthal diesen Namen erwähnte. Er tat es mit großer Traurigkeit, weil er die dazugehörige Maid sehr vermisste. Im Thüringischen war’s, und er sagte, er hätt gehört, besagte Maid sei auf dem Weg nach Potsdam, und er müsse deshalb sofort dahin. Ich hätt gern noch ein Schwätzchen mit ihm gehalten, über dies und das und jenes, aber er war nicht zu bremsen. Noch in derselben Stunde zog er los. Sag, Gevatterin, du bist nicht zufällig diese Alena?«
    »Genau die bin ich.« Alenas Augen leuchteten.
    »Beim Barte meiner Mutter …« Eines der wenigen Male, bei denen Listig die Worte fehlten, war eingetreten. »Dann … dann weißt du womöglich auch, wo Klingenthal sich im Augenblick rumtreibt?«
    »Ja, das weiß ich. Keine fünfhundert Schritt von hier.«
    Jetzt verschlug es Listig endgültig die Sprache, sein Mund klappte tonlos auf und zu, und seltsamerweise war es Pausback, der ihm schließlich aushalf: »Klingenthal, hmja, Klingenthal. Ich mag ihn.«
    »Es geht ihm gut«, sagte Alena. »Er will mit mir nach Göttingen, um dort Medizin zu studieren. Aber er macht sich Sorgen wegen seines Alters.«
    »Das freut mich«, brummte Pausback. »Das freut mich.«
    Listig riss die Unterhaltung wieder an sich. »Ja, worauf warten wir dann noch!«, rief er. »Nichts wie hin zu Klingenthal, meinem alten Freund und Kupferstecher! Los, Pausback, zieh den Arzneiwagen aus dem Laub!«
    Pausback gehorchte, und alsbald kam ein Gefährt zum Vorschein, dessen Aufbauten aus vielen Schubladen bestanden. In den Fächern befanden sich die unterschiedlichsten Medikamente mit den seltsamsten Aufschriften:
Drusenpulver, Engel-Balsam, Thüringer Cholera-Tropfen, Schwarzburger Theriak, Eisenkrauttinktur, Holzteer, Schlafmohn-Essenz
und viele mehr. Der Riese nahm einige Kalbfelle und deckte damit sorgfältig die Schubladen ab. Alena fielen die Puppen ein, die ebenfalls stets vor Wind und Wetter geschützt werden mussten, und erschrak. Klingenthal hatte die Weiterreise für den Vormittag geplant, gewiss wartete er schon. »Bevor wir gehen, muss ich noch trockenes Holz fürs Feuer sammeln!«, rief sie.
    »Trockenes Holz fürs Feuer?« Listig beugte sich aus dem Reff herab. »Eher werden Raben weiß, als dass du Holz sammeln musst, liebe Alena. Ich bin einer der letzten lebenden Kavaliere und nehm dir die Arbeit gern ab.«
    Alena fragte sich, wie Listig das ohne Füße anstellen wollte, aber sie musste nicht lange auf die Antwort warten, denn Pausback bückte sich und bündelte dank der gewaltigen Spannweite seiner Arme im Nu eine große Menge Holz. Er packte das Eingesammelte auf den Wagen, verzurrte es und schnaufte. »Hm, hm, Alena, Raben werden nicht weiß. Sie werden’s nicht, glaub mir.«
    »Danke, Pausback.« Alena setzte ihr schönstes Lächeln auf, obwohl sie es unpassend fand, dass der Riese etwas einhielt, was Listig

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