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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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suchten sich zwei Liegestühle mit dicken Wolldecken und ließen sich von einem Steward etwas zum Trinken und leichtes Gebäck bringen. Daniel trank einen starken türkischen Mokka, und während Susan an ihrer heißen Schokolade mit extra viel Sahne nippte, hatte sie die Nachricht von möglichen Eisbergen in der Nähe schon wieder vergessen.

21. Kapitel
    O bwohl die
Titanic
mit ihren zweihundertsiebzig Metern Länge, knapp dreißig Metern Breite, dreiundfünfzig Metern Höhe und mit zehn Decks das größte jemals vom Stapel gelaufene Schiff war, war es unmöglich, Leonard Kingsley aus dem Weg zu gehen. Susan sah ihn am späten Nachmittag im Rauchsalon, wo er sich mit vier Herren angeregt unterhielt, Cognac trank und rauchte. Als er Susan bemerkte, legte er seine Zigarre in den Aschenbecher, erhob sich und sagte: »Meine Herren, bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment.«
    Susan versuchte, einer Konfrontation zu entgehen, Kingsley hatte sie jedoch an der Tür eingeholt. Mit ausgestreckten Händen, auf den Lippen ein unverbindliches Lächeln, als hätte es den Zwischenfall niemals gegeben, kam er auf sie zu.
    »Miss Peggy, bitte warten Sie … auf ein Wort.«
    Susan registrierte, dass er sie jetzt wieder formell ansprach. Da sie mit Kingsley die nächsten Monate würde auskommen müssen, blieb sie stehen, neigte zustimmend den Kopf, ihr Gesichtsausdruck blieb jedoch abweisend.
    »Ich bitte mein Verhalten am heutigen Morgen zu entschuldigen.« Kingsley kam gleich zur Sache. »Einzig die letzte Nacht, in der ich gewissen alkoholischen Getränken mehr zugesprochen hatte, als mir guttat, lässt mein Verhalten erklären.«
    »Nun, dann ist ja alles gesagt.« Kühl musterte Susan ihn, wobei sie darauf achtete, nicht in die Reichweite seiner Hände zu geraten. »Mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als Ihre Entschuldigung anzunehmen, um unsere Zusammenarbeit nicht unnötig zu belasten. Ich muss Sie jedoch bitten, sich künftig nicht mehr in mein Privatleben einzumischen. Niemals wieder! Haben Sie das verstanden, Mr. Kingsley?«
    »Selbstverständlich, Miss Peggy, wobei ich betonen möchte, dass ich stets nur Ihr Bestes im Auge habe.«
    Er schien wirklich Reue zu zeigen. Susan traute ihm jedoch nicht, darum sagte sie bestimmt: »Ich möchte sofort meinen Pass, mein Geld, das ich Ihnen zur Aufbewahrung übergab, sowie den Vertrag ausgehändigt bekommen.«
    Für einen Moment flackerten Kingsleys Augen unruhig.
    »Sie können sicher sein, Miss Peggy, dass ich …«
    »Ich möchte die Sachen
jetzt
haben«, unterbrach Susan in scharfem Tonfall. »Außerdem kann ich Ihnen sagen, dass ich Theodor Murphy gekabelt und ihn gebeten habe, ein Telegramm, in dem er die Vertragsunterzeichnung mit Ihrem Haus an Nathan Schneyder bestätigt, nach New York zu schicken. Theo wird sich darüber zwar wundern, meiner Bitte jedoch folgen. Somit hat Ihr kleiner Erpressungsversuch seine Grundlage verloren. Können wir jetzt ins Büro des Zahlmeisters gehen, damit ich meine Papiere und mein Geld bekomme?«
    Nun war von Kingsleys anscheinender Unterwürfigkeit nichts mehr zu spüren. Zorn glomm in seinen Augen.
    »Du bist ein ganz durchtriebenes Luder, Peggy Sue. Wie konnte ich nur so dumm sein, aus all den englischen Schauspielerinnen, die alles dafür tun würden, um an den Broadway zu kommen, ausgerechnet dich auszuwählen. Ich bin sicher, jede andere aus eurem kleinen Provinztheater hätte die einmalige Chance, die ich ihr bieten kann, mit Handkuss angenommen und sich nicht wie eine dumme und prüde Frauenrechtlerin benommen.«
    Susan atmete schneller. Sie hatte Kingsley ohnehin nicht geglaubt, dass er sein Verhalten bedauerte. Nun zeigte er wieder sein wahres Gesicht.
    »Meine Papiere!« Auffordernd sah sie ihn an, nicht bereit, nachzugeben.
    Wie ein kleines, trotziges Kind stampfte Kingsley mit dem Fuß auf.
    »Darauf kannst du lange warten.« Er drehte sich um, warf ihr aber noch einen wütenden, beinahe schon hasserfüllten Blick über die Schulter zu. »Eher geht dieses Schiff hier unter, bevor ich dich an den Broadway bringe. Darauf verwette ich meine eigene Großmutter.«
     
    Als Susan Daniel später von diesem Gespräch erzählte, runzelte er nachdenklich die Stirn, wirkte aber nicht besorgt.
    »Es wird sich alles regeln, Peggy. Ich werde so lange in New York bleiben, bis du entweder das Engagement und einen neuen Vertrag erhalten hast oder dich entschließt, nach England zurückzukehren.«
    »Was soll ich bloß ohne Geld

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