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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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anfangen?«
    Dieses Problem beschäftigte Susan sehr. Sie könnte sich selbst ohrfeigen, dass sie Kingsley beinahe ihr gesamtes Barvermögen ohne eine entsprechende Quittung ausgehändigt hatte, aber sie hatte dem Mann vertraut.
    »Nun, spätestens wenn wir von Bord gehen, wird er dir deinen Pass geben müssen. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich ab sofort an deiner Seite sein und dich nicht mehr aus den Augen lassen. Vielleicht kann ich Kingsley dazu bringen, dass er nachgibt.«
    Daniel lächelte, und plötzlich fühlte sich Susan nicht nur beruhigt, sondern auch geborgen und von allen Sorgen befreit. Ein Gefühl, das sie seit vielen Jahren nicht mehr empfunden hatte. Wenn sie recht überlegte, dann hatte sie an der Seite eines Mannes noch nie Geborgenheit empfunden.
    »Warum tust du das alles?«, fragte Susan leise und wich seinem Blick aus, denn das, was sie darin las, war so unfassbar, dass sie es nicht glauben konnte, obwohl es die Antwort auf all ihre Fragen war.
    »Weißt du das nicht?« Auch Daniel senkte seine Stimme, obwohl niemand in der Nähe war, der ihr Gespräch hätte mit anhören können. »Wir sind uns zwar erst vor wenigen Tagen begegnet, es scheint mir jedoch, als würden wir uns schon ewig kennen. Manchmal geschieht das, wobei niemand weiß, warum und wieso, und ich glaube, dir geht es ähnlich, nicht wahr?«
    Susan nickte, konnte Daniel jedoch nicht länger in die Augen sehen. Plötzlich steckte ihr ein Kloß im Hals, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Mit aller Macht versuchte sie, sich gegen die Gefühle für Daniel, die von Minute zu Minute intensiver wurden, zu wehren. Sie wollte sich nicht verlieben! Sie hatte sich geschworen, ihr Herz niemals wieder an einen anderen Menschen zu verlieren, denn Liebe bedeutete nicht nur Glückseligkeit, sondern auch Schmerz, wenn man diesen Menschen irgendwann verlor. Sie hatte ihren Sohn Jimmy mehr als alles andere auf der Welt geliebt, und die Gewissheit, ihn niemals wiederzusehen, zerriss ihr auch heute noch fast das Herz. Auch ihre Tochter Anabell, mit der sie ein paar Stunden hatte verbringen können, fehlte ihr in jedem Moment, in dem sie nicht durch andere Dinge abgelenkt war, und ihre vermeintliche Liebe zu Paul hatte sie nur in Schwierigkeiten gebracht. Nein, ein Flirt, der über die übliche harmlose Tändelei hinausging, war durchaus in Ordnung, sie würde aber nicht zulassen, dass mehr daraus wurde.
    Susan hatte nicht bemerkt, wie sie bei ihrem letzten Gedanken den Kopf geschüttelt und ihr Gesicht einen grimmigen Ausdruck angenommen hatte.
    Sanft berührte Daniel ihre Wange.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken, Peggy, aber ich dachte, du empfindest ebenso. Ich bitte dich, wenn es deine Zeit erlaubt, mich und meine Familie in Boston zu besuchen. Falls ich das Leuchten in deinen Augen, wenn du mich ansiehst, jedoch falsch interpretiert habe, tut es mir leid.«
    Die Traurigkeit in Daniels Stimme tat Susan sehr weh. Auch wenn sie von der Liebe nichts mehr wissen wollte, sie konnte und wollte einen anderen Menschen nicht derart verletzen und ihn glauben lassen, sie hätte nur mit ihm gespielt. Darum hob sie den Kopf und sah Daniel an.
    »Du hast dich nicht geirrt, auch ich empfinde etwas für dich. Doch es kann für uns keine gemeinsame Zukunft geben. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und bin Schauspielerin, also nicht gerade das, was sich eine angesehene Anwaltsfamilie wünscht.«
    Susan lächelte zwar, während sie dies aussprach, aber es war ein bitteres Lächeln. Sie merkte, wie Daniel erleichtert aufatmete.
    »Wenn es nur das ist … Wir Amerikaner sind aufgeschlossener als ihr Engländer. Bei uns zählt einzig der Charakter des Menschen und nicht, aus welcher Gesellschaftsschicht man stammt oder welchen Beruf man ausübt, solange dieser nicht mit dem Gesetz in Konflikt gerät.«
    »Das hat mir Kingsley auch erzählt«, warf Susan ein, wurde aber sofort von Daniel unterbrochen.
    »Auch wenn Kingsley ein Idiot ist, in diesem Punkt hat er recht. Natürlich gibt es auch in Amerika, ganz besonders an der Ostküste, die sogenannte bessere Gesellschaft, die ja auch auf diesem Schiff hier vertreten ist. Du kannst mir aber glauben, dass meine Familie einen Menschen nicht nach dessen Stammbaum beurteilt. Seit dem Bürgerkrieg ist die alte Ordnung zerstört, auch wenn es im Süden immer noch Familien gibt, die sich für etwas Besseres halten. Im Norden dachte man niemals derart engstirnig.«
    Susan wurde von ihren Gefühlen hin- und

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