Das Lied der roten Erde (German Edition)
McIntyre entführt habe, beantwortete er nicht. Nicht einmal Samuel. Er durfte niemandem vertrauen. Abends fiel er todmüde und mit schmerzenden Gliedern auf sein Lager und fand doch lange keinen Schlaf. Er wusste nicht, wie er liegen sollte; die Ketten waren im Weg, und die Striemen auf seinem Rücken schmerzten. Und er konnte nicht aufhören, an Moira zu denken.
Als die sommerliche Hitze in den nächsten Tagen zunahm und die offenen Wunden mit seinem Hemd verklebten, hatte Aufseher Farelly ein Einsehen und ließ Duncans Handschellen öffnen, damit er sich das Hemd ausziehen konnte. Er schämte sich seines geschundenen Rückens nicht. Fast jeder der Sträflinge hatte schon einmal die Peitsche zu schmecken bekommen.
Eine Woche nach seiner Rückkehr ins Straflager rief Aufseher Farelly ihn während des kargen Morgenmahls zu sich. Duncan stellte die Schüssel mit dem Brei aus Hafermehl beiseite, sein Hunger war verflogen. Jetzt war es so weit. Jetzt würden sie ihn zu den restlichen Schlägen holen. Die Vorstellung, erneut auf die kaum verheilten Striemen geschlagen zu werden, ließ einen harten Knoten in seinem Magen entstehen. Er stand auf und trat zu dem Aufseher.
Farelly musterte ihn. »Es heißt, du kannst mit Metall umgehen. Kannst du auch Töpfe reparieren?«
Duncan seufzte unhörbar auf. Ging es nur darum? Er nickte. »Alles, was ein Tinker können muss.«
»Ein Kesselflicker also.« Der Aufseher sah ihn verächtlich an. »Jemand hat dich angefordert.« Er blickte in die Runde. »Er braucht noch vier weitere kräftige Burschen, die eine Scheune errichten können. Fitzgerald, Reilly, Buchanan, Clarke, ihr kommt ebenfalls mit. Macht euch bereit. In einer halben Stunde werdet ihr mit mir nach Parramatta marschieren.«
Duncans Herz klopfte wieder langsamer. Keine Schläge. Nur ganz gewöhnliches Tinkerhandwerk. Er atmete durch und kehrte zurück zu seinem Haferbrei.
*
Das Farmhaus lag in gleißender Sonne, die Luft am Waldrand flimmerte. Wentworth reichte Moira den Arm, um ihr aus der Kutsche zu helfen. »Kommt, ich bringe Euch zu ihm.«
»Weiß er, dass ich komme?«
Wentworth nickte. »Die anderen Sträflinge bauen neben den Ställen an einer Scheune. Dennoch müsst Ihr achtgeben, dass Euch niemand sieht. Ihr würdet sonst auch mich in Teufels Küche bringen.«
Die Aussicht, gleich Duncan zu sehen, ließ Moiras Herz flattern wie ein gefangener Vogel. Zum Glück hatte ihr Mann sich leicht überlisten lassen. Seit Duncan wieder im Arbeitslager war, ließ McIntyre die Zügel etwas lockerer und beobachtete sie nicht mehr auf Schritt und Tritt, schließlich war es in Toongabbie nahezu unmöglich, dass Moira und Duncan sich begegneten. Auf die Idee, dass D’Arcy Wentworth die wahre Geschichte kannte und sie unterstützen könnte, war er nicht gekommen. Und so sah es für McIntyre heute so aus, als besuche sie Wentworth und seine Kinder, um einen möglichen Unterricht zu besprechen.
Auch wenn alles in ihr danach drängte loszulaufen, blieb sie noch einen Augenblick stehen. »Dr. Wentworth, D’Arcy, ich … ich weiß gar nicht, wie ich das jemals wiedergutmachen kann. Wieso tut Ihr das für uns?«
Wentworth lächelte sie an und hob die Schultern. »Das weiß ich selbst nicht so genau. Wahrscheinlich, weil Catherine es auch getan hätte. Und weil es mir weh tut, Euch leiden zu sehen.«
Er führte sie zu den Nebengebäuden. Neben dem Küchenhaus, das wegen der Feuergefahr abseits vom Haupthaus errichtet worden war, trennte er sich von ihr.
»Ich habe die Köchin zum Einkaufen geschickt, und die Kinder sind im Haus. Niemand wird Euch stören. Aber zeigt Euch nicht zusammen, zu Eurer eigenen Sicherheit.«
Moira nickte und wartete ungeduldig, bis er sich entfernt hatte. Dann lugte sie um die Ecke.
Duncan saß neben der geöffneten Tür des Küchenhauses auf einer Bank und bearbeitete den Boden eines Topfes mit einem Hammer. Moiras Herz machte einen Satz und fing an zu rasen. Als sie seinen Namen flüsterte, hob er den Kopf, Freude überflog sein Gesicht. Er sprang auf, Topf und Hammer fielen zu Boden. Im nächsten Moment hing sie an seinem Hals, schluchzend, lachend, spürte seine Arme um sich und erlaubte sich für einen Augenblick, reines Glück zu empfinden und nicht auf das Klirren der Fußketten zu achten.
»Geht es dir gut? Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Und dich so schrecklich vermisst!«
Er sagte kein Wort, hielt sie nur fest. Auch
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