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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Der Mann konnte mit einem einzigen Ruf den Aufseher herbeiholen. Dann wäre alles verloren.  
    Er steuerte direkt auf Duncan zu und blickte sich irritiert um. »Mit wem hast du gerade gesprochen?«  
    »Mit mir selbst.«  
    »Ist es schon so weit mit dir, dass du Selbstgespräche führst?« Der Hüne grinste breit, Moira konnte seine Zähne aufblitzen sehen.  
    »Was machst du hier, Samuel?«  
    »Aufseher Farelly hat einen über den Durst getrunken, sitzt da hinten an einem Baum und schläft. Bis der wieder aufwacht, kann es dauern. Schnell, hast du einen Hammer? Möglichst schwer und groß?« Ohne ein weiteres Wort griff er sich den größten Hammer, der vor Duncan auf dem Boden lag, und wog ihn in der Hand. »Nein, viel zu leicht.« Er blickte sich um. »Vielleicht ist im Küchenhaus etwas Brauchbares.«  
    »Nein! Samuel, warte!« Duncan sprang auf, aber der andere marschierte schon auf die geöffnete Tür zu.  
    Moiras Herz klopfte zum Zerspringen. Wo konnte sie sich verstecken? Unter dem großen Küchentisch? In der Speisekammer? Nein, sie wollte sich nicht wie ein verschrecktes Küken finden lassen. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, trat sie vor.  
    Der große Mann hielt an, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Niemand sagte ein Wort. Quälend langsam wechselte der Ausdruck auf seinem Gesicht von Verblüffung zu Erkenntnis.  
    »Ich will verdammt sein«, brach es schließlich aus ihm hervor, »wenn das nicht die junge Mrs McIntyre ist.« Sein Blick wanderte von Moira zu Duncan und wieder zurück. Moira stand regungslos. Für einen endlos langen Moment schien alles Leben zu ersterben. Dann lachte der Hüne über das ganze Gesicht.  
    »Duncan, du Tunichtgut! Du hast sie gar nicht entführt? Ihr seid … ein Liebespaar?« Er trat zu Duncan und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Bei Gott, das ist die schönste Geschichte, von der ich je an diesem verteufelten Ort gehört habe.« Er wandte sich Moira zu und tippte an einen imaginären Hut. »Samuel Fitzgerald, Ma’am. Zu Euren Diensten.«  
    Moira wagte zum ersten Mal durchzuatmen, auch wenn ihr noch immer der Puls in den Schläfen hämmerte. »Wozu braucht Ihr denn einen Hammer, Mr Fitzgerald?«  
    Der Riese sah sie erstaunt an, dann bleckte er die Zähne zu einem breiten Grinsen. Er trat einen Schritt auf sie zu, dann noch einen, bis er so nah war, dass sie seinen durchdringenden Schweißgeruch wahrnehmen konnte. Die schiere Präsenz dieses Mannes war bedrohlich, er würde sie mühelos überwältigen können. Und Duncan würde ihr diesmal nicht zu Hilfe kommen können, angebunden, wie er war. Dennoch wich sie nicht zurück.  
    »Um die Fußfesseln in eine andere Form zu klopfen«, sagte Fitzgerald. »Dann muss man nur noch mit der Ferse hinausschlüpfen. Ich habe nämlich nicht vor, mein Leben an diesem Ort zu beschließen. Ich gehe über die Berge nach China.«  
    Duncan schüttelte den Kopf. »Vergiss es, Samuel. Wie willst du einen Hammer ins Lager schmuggeln? Sie durchsuchen uns.«  
    »Ich könnte Euch einen Hammer besorgen«, sprach Moira aus, was ihr durch den Kopf schoss. »Es würde etwas dauern, aber –«  
    »Nein!«, unterbrach Duncan sie. »Ich werde dich nicht noch einmal in Gefahr bringen.« Er wandte sich an Fitzgerald. »Und du hörst auf, ihr solche Flausen in den Kopf zu setzen. Was immer hinter den Bergen liegt – du kannst sie nicht überqueren. Wir sind auch gescheitert.«  
    »Wirklich? Woran denn?«  
    »Sie sind zu hoch. Unüberwindbar.«  
    Fitzgerald ließ enttäuscht die breiten Schultern hängen. Für einen Augenblick stand er geknickt da, dann straffte er sich wieder. »Nun, dann gehe ich jetzt besser.«  
    »Mr Fitzgerald«, rief Moira leise, als er sich umwandte. »Kann ich … kann ich Euch vertrauen?«  
    Der Hüne blieb stehen und sah sie an. »Sagen wir mal so: Ihr kennt jetzt mein Geheimnis, und ich kenne Eures. Es hätte niemand von uns etwas davon, wenn er den anderen verraten würde, nicht wahr?«  
    Sie nickte und sah ihm hinterher, wie er durch das Gras davonstapfte.  
    »Du solltest jetzt auch gehen«, sagte Duncan hinter ihr. Er hörte sich unendlich traurig an.  
    Sie drehte sich zu ihm um. »Es gibt eine Lösung«, beharrte sie trotzig. Sie musste sich daran festhalten, sonst wäre sie zerbrochen. »Es gibt immer eine Lösung.«  
    *  
    Moira hatte nicht erwartet, dass McIntyre noch einmal sein Recht als Ehemann einfordern würde. Doch am Tag nach ihrer Fahrt

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