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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Sorgen mehr darüber machen müssen, dass man ihn auspeitschte. Dann wäre er nämlich ertrunken.  
    Jetzt rief er doch. Schrie um Hilfe. Zerrte wieder und wieder an den Fesseln. Hörte man ihn überhaupt? Die Fesseln bewegten sich keinen Zoll, seine Handgelenke fühlten sich an, als bestünden sie nur noch aus rohem Fleisch.  
    Das Wasser hatte seine Brust erreicht. Und stieg weiter. Für einen kurzen Moment ging ihm die Ironie dieser Situation auf: Da hatte er Samuels Angebot abgelehnt und war gerade so dem Biss einer Giftspinne entkommen, um jetzt jämmerlich zu ertrinken. In einem Schuppen.  
    Vielleicht war es gut so. Vielleicht sollte sein Leben so enden.  
    Nein, es war nicht gut! Er wollte nicht sterben! Nicht, ohne Moira noch einmal gesehen zu haben.  
    Erneut riss er an den Handschellen, rief, so laut er konnte. Panik drohte in ihm aufzukommen. Er zog die Beine an und versuchte, sich mit aller Kraft vom Boden abzustemmen. Aber er rutschte ab, seine Sohlen fanden keinen Halt auf dem glitschigen Lehmboden, und seine gefesselten Hände hielten ihn unten. Und das Wasser stieg und stieg.  
    »Duncan?«  
    Die Verzweiflung ließ ihn schon Stimmen hören. War das eine Vision kurz vor dem Tod?  
    »Duncan! O Gott, ich … ich dachte schon, ich wäre zu spät«, schluchzte die Vision und näherte sich ihm langsam.  
    »Ann?«, fragte er ungläubig.  
    Zitternd watete sie durch das Wasser, das ihr bis zum Oberschenkel ging, auf ihn zu. »Ich … ich hab gestern gesehen, wie man dich hier eingesperrt hat.«  
    Als er sah, dass sie einen großen Schlüsselbund in der Hand hielt, hätte er vor Erleichterung fast laut aufgelacht. Ausgerechnet Ann kam zu seiner Rettung?  
    »Wie kommst du an die Schlüssel?«  
    »Von einem Aufseher. Ich … ich hab sie ihm abgenommen. Ich … ich glaube, er ist … tot.«  
    »Tot?« Offenbar war wirklich einiges passiert. »Ann, du musst die Fesseln öffnen. Komm schon, beeil dich!« Großer Gott, wenn sie sich nicht etwas schneller bewegte, würde er hier doch noch ertrinken!  
    Ann kniete sich neben ihn ins Wasser, das ihr auf diese Weise bis unter die Brust reichte, ihre Augen schwammen in Tränen. »Es … es tut mir leid«, stammelte sie. Wovon redete sie? Aber schon sprach sie weiter. »Weißt du – ich … ich war das, damals, mit dem Schinken. Ich habe ihn … im Kutschenhaus versteckt.«  
    Für einen Moment vergaß Duncan die Gefahr. »Du? Wieso?«  
    »Weil … weil … ich hatte Angst. Dass sie mich fortjagen würden, wo dich doch alle viel lieber hatten als mich. Und … und deswegen«, sie japste nach Luft, »habe ich dich und … und die Ma’am später auch an den Doktor verraten.«  
    »Was?« Dieses kleine, hinterlistige –  
    »Ich … ich wollte doch nur, dass sie dich wegschicken. Ich wusste doch nicht, dass sie … dass sie dich so schrecklich schlagen würden! Aber wieso bist du auch mit der Ma’am weggelaufen?« Sie stieß einen weiteren japsenden Schluchzer aus. »Ich … ich weiß, dass du böse auf mich bist, aber … sag … sag, dass du … dass du mir verzeihst!«  
    »Was? Ann, dafür ist jetzt keine Zeit, du musst –«  
    Sie heulte laut auf. »Ich … ich will aber nicht in die Hölle kommen!«  
    Das Wasser schwappte beunruhigend nah unter seinem Kinn.  
    »Ja!«, stieß er hervor und legte seinen Kopf in den Nacken. »Ja doch, ich verzeihe dir! Und jetzt beeil dich! Schließ die Fesseln auf! Sie sind an einem Ring festgemacht!«  
    Ein erleichtertes Lächeln ging über Anns tränenfeuchtes Gesicht. Sie hielt ihm den Schlüsselbund hin, den sie die ganze Zeit über Wasser gehalten hatte. Ihre Hand zitterte stark, die Schlüssel klirrten. »Welchen?«  
    »Was weiß ich? Nimm einfach irgendeinen.«  
    Sie nickte und rutschte auf Knien zu dem Balken hinter ihm. Er merkte, wie sie seine Arme entlangtastete, hörte sie an seinem Rücken prusten und schnaufen. Großer Gott, warum tauchte sie nicht endlich unter? Die Wasserfläche näherte sich bedrohlich schnell seinen Lippen. Eine Kiste trieb auf ihn zu. Er spürte Anns Finger an seinen Händen, ein Tasten an den Kettengliedern der Handschellen, dann das Gefühl von Metall auf Metall …  
    Ann kam wieder in sein Blickfeld. Ihre Haare waren trocken. »Es … es geht nicht!« Er konnte sie kaum verstehen, so laut weinte sie. »Und der … der Schlüsselbund ist mir … runtergefallen.«  
    »Dann musst du ihn suchen.«  
    »Das habe … ich ja!«,

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