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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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versenken. Alles an ihm zog sich zusammen.  
    Er erinnerte sich, wie der Doktor in Murphys Fleisch geschnitten hatte, um das Gift ausbluten zu lassen. Würde man dasselbe auch mit ihm machen? Dort?! Er biss die Zähne zusammen und warf den Kopf in den Nacken, um dem Drang zu widerstehen, laut zu schreien. Jeder Laut konnte das Tier reizen.  
    Er entspannte sich ein wenig, als das Kitzeln wieder nach unten wanderte. Dann hörte es auf. Es fühlte sich an, als hätte die Spinne sich in seiner Hose unterhalb seiner Kniekehle niedergelassen. Lautlos stieß er etwas Luft aus. Wie lange würde er so ausharren können, bewegungslos, fast ohne zu atmen? Und was würde geschehen, wenn die Tür aufging und sie kamen, um ihn zu holen?  
    *  
    Schlamm spritzte unter den Pferdehufen, Regen peitschte ihr ins Gesicht. Moira beugte sich tief über den Rücken des Tieres, die nasse Kleidung klebte auf ihrer Haut. So viel Regen kannte sie selbst aus Irland nicht, und dabei war es Sommer. Der Boden konnte das viele Wasser nicht halten, überall erstreckten sich riesige Pfützen.  
    Der Busch flog an ihr vorbei. Das letzte Mal, als sie so geritten war, schoss es ihr durch den Kopf, hatte sie auch Hilfe geholt. Damals, als Duncan sie vor Oberaufseher Holligan gerettet hatte. Sie duckte sich, um einem tiefhängenden Ast auszuweichen. Schon kamen die ersten Häuser von Parramatta in Sicht. Sie jagte über die ungepflasterte Straße, die von einfachen Hütten gesäumt wurde, weiß mit rotem Dach, die Anhöhe hinauf, dann war sie auch schon am Ziel. Die Sommerresidenz des Gouverneurs, ein schlichtes, zweistöckiges Gebäude, erhob sich auf einem mit Weinstöcken bepflanzten Hügel über dem Parramatta River. Mit den zwei Nebengebäuden bildete es die Form eines unterbrochenen Hufeisens. Weiter hinten sah Moira einige Rotröcke, die vor dem Regen Schutz unter dem vorspringenden Dach eines Lagergebäudes gesucht hatten und sich dort offenbar die Zeit mit einem Kartenspiel vertrieben.  
    Vor dem Stallgebäude sprang sie vom Pferd. Bestürzt bemerkte sie ihren wenig standesgemäßen Aufzug; ihr zitronengelbes Kleid troff vor Nässe und war mit vielen kleinen Schlammspritzern übersät, das Haar haftete klatschnass an ihrem Gesicht. Ob man sie so überhaupt zum Gouverneur vorlassen würde?  
    Der Stallknecht, der ihr das Pferd abnahm, maß sie mit einem Blick, der zwischen Verwirrung und Mitleid lag. Mit dem Handtuch, das er ihr reichte, rieb sie ihre Haare ab. Dann unterzog sie ihre Garderobe einer oberflächlichen Reinigung und wischte die schlimmsten Spritzer ab. Allerdings änderte das nichts daran, dass ihre Kleidung und wahrscheinlich auch sie selbst aussah, als hätte man sie aus dem Fluss gezogen. Andererseits: Wenn sie so derangiert bei Gouverneur King erschien, würde es den Ernst der Lage noch unterstreichen. Die Gemahlin des neuen Gouverneurs, Anna King, hatte Moira bereits als eine verständnisvolle und warmherzige Frau kennengelernt. Hoffentlich war Mr King von ähnlicher Großherzigkeit.  
    Sie gab dem Stallknecht das Handtuch zurück, strich über ihre Haare, um sie wenigstens halbwegs zu ordnen, und klopfte an die Eingangstür. Sie zitterte vor Angst und Aufregung. Ein Mann in Livree, offenbar der Hausdiener, öffnete und warf einen abschätzigen Blick auf ihr durchnässtes, verschmutztes Kleid.  
    »Ma’am?«  
    Moira setzte eine hochmütige Miene auf und bemühte sich, so selbstbewusst wie möglich zu sprechen. »Ich bin Mrs Alistair McIntyre. Die Frau von Dr. McIntyre.« Sie hasste es, diesen Namen gebrauchen zu müssen, aber wenn es der Sache diente … »Ich möchte zu Gouverneur King.«  
    Der Hausdiener zog die Brauen zusammen. »Bedaure. Seine Exzellenz ist nicht zu sprechen.«  
    So einfach ließ sie sich nicht abspeisen. »Bitte, es ist wichtig! Sagt ihm, es ginge um Leben und Tod!«  
    »Das tut mir leid, Ma’am. Aber Gouverneur King weilt heute nicht in Parramatta.«  
    »Nicht in Parramatta …« Moiras Hoffnung sank. »Dann … ist Mrs King zu sprechen? Sie kennt mich!«  
    Der Hausdiener zögerte merklich. »Einen Augenblick.« Er schloss die Tür. Moira musste draußen warten. Ein solch anmaßendes Gehabe war sie nicht gewöhnt. Sie schluckte ihre Angst und ihre Ungeduld hinunter und übte sich in Demut. Wahrscheinlich kamen öfter Bittsteller hierher.  
    Nach einer schieren Ewigkeit kam der Hausdiener zurück. »Ihre Exzellenz Mrs King ist gerade bei der Morgentoilette, aber danach wird sie

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