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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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langsam wieder ab. In diesen Momenten bereute er, dass er Samuels Angebot nicht angenommen hatte. Dann wäre jetzt alles vorbei. Auf der Rückfahrt nach Toongabbie war er für einen Augenblick tatsächlich versucht gewesen, das alles hinter sich zu lassen. Aber dann hatte sich ein unbezwingbarer Überlebenswille Bahn geschlagen. Und so einfach würde er auch jetzt nicht aufgeben. Er hatte nicht so viel ertragen, um sich jetzt feige aus dem Leben zu stehlen. Was hatte Moira gesagt? Es gab eine Lösung. Es gab immer eine Lösung.  
    Das Warten war das Schlimmste. Das Warten und das Wissen um das, was ihn erwartete. Wahrscheinlich würden sie erst kommen, wenn der Regen aufgehört hatte und die Neunschwänzigen sich nicht mit Wasser vollsaugen würden. Ob der Major auch diesmal wieder anwesend wäre? Nein. Duncan schüttelte den Kopf. Er wollte seine letzten klaren Gedanken vor der Folter nicht an diese Ratte verschwenden. Dazu hatte er später noch genug Zeit. Ein ganzes erbärmliches Leben lang.  
    »Vater unser«, murmelte er mit Lippen, die sich anfühlten wie taub, »der du …«  
    Er brach ab. Zum ersten Mal erschienen ihm diese Worte sinnlos, unpassend. Zu klein für sein Elend.  
    Er bewegte die Finger hinter seinem Rücken, versuchte, Blut in die eingeschlafenen Gliedmaßen zu bringen. Dann legte er den Kopf in den Nacken und betrachtete zum wiederholten Mal den Dachunterbau; einfache Holzplanken, über die man Stroh gedeckt hatte. Hier und da tropfte es. Sein Blick kehrte zurück zu dem Boden aus festgestampftem Lehm.  
    Neben seinem Fuß saß eine Spinne. Sie war von dunkler, metallisch glänzender Farbe und fast zwei Zoll groß, der Hinterleib und die vier Beinpaare mit kurzen Haaren besetzt.  
    Duncan fuhr erschrocken zusammen. Als er sein Bein ein wenig anzog, um es aus der Reichweite des kleinen Scheusals zu bewegen, klirrten die schweren Ketten. Sofort richtete die Spinne ihren Vorderkörper auf und reckte die vorderen Beine und ein Paar bedrohlich wirkender Krallen oder Fangzähne nach oben.  
    Langsam stieß Duncan die Luft aus. Sehr langsam. Keine Bewegung. Er durfte keine Bewegung mehr machen. War Murphy nicht von einer solchen Spinne gebissen worden – und wenige Tage später qualvoll daran gestorben? Schwarz und haarig, hatte Murphy sie beschrieben. Wie viele schwarze haarige Spinnenarten konnte es hier noch geben? Sein Herz raste, er verharrte reglos, wagte kaum zu atmen. Schweiß rann ihm in die Augen.  
    Endlich senkte das Tier seinen Vorderleib. Duncan schloss für einen Moment die Augen, um die kleine Bestie nicht länger ansehen zu müssen und um seinen Herzschlag zu beruhigen. Als er die Augen wieder öffnete, war die Spinne fort. Erleichtert wollte er sein Bein ausstrecken, als er ein Kitzeln an seinem Knöchel und gleich darauf an seinem Schienbein spürte. Die Spinne! Das Mistvieh war in seinem Hosenbein! Er atmete erschrocken ein, seine Muskeln versteiften sich. Mit aller Beherrschung, die er aufbringen konnte, zwang er sich dazu, ruhig zu bleiben. Er presste die Lippen zusammen und ballte die Fäuste, aber er konnte nicht verhindern, dass es ihn heiß und kalt zugleich überlief. Das Gefühl der Spinnenbeine auf seiner Haut ließ ihn erschaudern, er spürte, wie sich eine Gänsehaut bildete. Ob das die Spinne reizte? Er spürte das Kribbeln verharren, an einer Stelle unterhalb seines Knies, und wagte kaum zu atmen. Dann krabbelte das Tier weiter. Es kitzelte an seiner Kniekehle, dann an der Innenseite seines Oberschenkels.  
    Heiß. Und kalt. Heiß. Kalt. Duncans Herz hämmerte, er atmete gepresst. Eine einzige unbedachte Bewegung, und die Spinne würde zubeißen. Wie schnell würde das Gift wirken? Das Bild von Murphy kam ihm in den Sinn, wie dieser sich schweißgebadet vor Schmerzen gekrümmt hatte. Es hatte einige Tage gedauert, bis er gestorben war.  
    Erneut ballte Duncan die hinter seinem Rücken gefesselten Hände und bewegte die Lippen in einem lautlosen Stoßgebet. War es das, was Gott mit ihm vorhatte? Blieb ihm die Teufelsinsel erspart, aber sollte er dafür jämmerlich durch einen Spinnenbiss umkommen?  
    Der Spinne schien es in seinem Hosenbein zu gefallen. Wollte sie etwa noch weiter krabbeln? Für einen kurzen, angsterfüllten Moment kam es ihm so vor, als wäre das Tier bereits auf dem Weg nach oben. Er atmete keuchend ein, glaubte schon, die Spinne zwischen seinen Beinen zu spüren. Gleich würde sie ihre Giftzähne in seinem empfindlichsten Teil

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