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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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und damit riskiert, doch noch ausgepeitscht und auf die Teufelsinsel gebracht zu werden, ohne den Versuch zu machen, diesem Schicksal zu entkommen? Das alles schien so weit weg zu sein, dabei lag es erst wenige Stunden zurück. Was wurde wohl aus den anderen geflohenen Sträflingen? Wer nach Sydney marschiert war, würde bald wieder gefasst werden. So hatte es zumindest Mrs King dargestellt, und er hatte keinen Grund, diese Aussage anzuzweifeln. Und die anderen? Schon in Toongabbie hatten sich einige in den Busch geschlagen. Auch diese Flüchtigen würden nicht weit kommen. Nicht ohne Hilfe oder einen Plan. Nicht, dass sie selbst einen Plan gehabt hätten. Nachdem Samuel den Soldaten getötet hatte, konnten sie nicht mehr mit Milde rechnen. Aber für den Moment war er zufrieden, hinter dem Mädchen herzulaufen und abzuwarten, was der Tag ihm noch brachte.  
    Als hätte Ningali gespürt, dass er sie beobachtete, blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Ein Lächeln huschte über ihr dunkles Gesicht, als sie nach oben in die Krone eines mächtigen Eukalyptusbaums deutete. Zuerst erkannte Duncan nichts außer vielen lanzenförmigen Blättern in verschiedenen Grüntönen, aber dann sah er dort oben, an der Gabelung zweier Äste, ein Tier sitzen, das sich an einen Ast klammerte und zu schlafen schien. Es ähnelte einem kleinen grauen Bären mit einer schwarzen Knopfnase und weißen Fellbüscheln an den Ohren.  
    »Koa-La« , flüsterte Ningali.  
    Samuel trat neben ihn und legte den Kopf in den Nacken. »Kann man das essen? Denn wenn ich nicht bald was zu beißen kriege, hole ich das kleine Vieh da vom Baum und esse es roh!«  
    Ningali schien zumindest die Bedeutung dieser Worte verstanden zu haben, denn sie lachte lautlos, wies nach vorne und ging weiter.  
    Es roch nach gebratenem Fleisch. Zuerst dachte Duncan, seine Sinne spielten ihm einen Streich, aber schnell verstärkte sich der Geruch. Das war keine Einbildung.  
    »Hol mich doch –«, Samuel fuhr zurück, als wie aus dem Nichts ein sehniger, hochgewachsener Eingeborener vor ihnen stand, auf einen Speer gestützt. Er sprach nicht, neigte nur wortlos den schwarzen Krauskopf und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.  
    Die Bäume lichteten sich. Vor ihnen erhoben sich einige einfache Behausungen, aus Ästen und Rinde gefertigt. In einem Feuer briet ein Tier direkt auf dem Holz. Mehrere nackte, dunkelhäutige Kinder rannten ihnen entgegen und umringten sie. Einige hatten dasselbe goldblonde Haar wie Ningali, doch alle wiesen eine dunklere Hautfarbe auf als sie. Dahinter kamen die Erwachsenen, Männer und Frauen. Eine von ihnen, eine ältere Frau mit kurzgeschorenen Haaren, trat zu ihnen, sprach ein paar unverständliche Worte und legte Ningali die Hand auf den Kopf, als wollte sie sie segnen. Duncan senkte den Blick, um ihr nicht auf die schweren, hängenden Brüste zu starren. Dass auch die erwachsenen Frauen bis auf eine Schnur um die Hüften unbekleidet waren, irritierte ihn.  
    Er ließ zu, dass die Schwarzen seine Kleidung anfassten, über seine Haare strichen und über seine Haut rieben. Fast wie damals auf dem Schiff, nach ihrer Ankunft im Hafen von Sydney, ging ihm durch den Kopf. Fehlte nur, dass sie seine Zähne prüften. Ein Blick zur Seite zeigte ihm, dass Samuel mit seiner Körpergröße und dem roten Haarschopf noch größeres Augenmerk auf sich zog. Mit leicht geöffnetem Mund stand der Hüne da und schien dieses Interesse an seiner Person zu genießen.  
    Der Duft nach Gebratenem, der über der Lichtung hing, ließ Duncans Magen erneut vernehmlich knurren. Die alte Frau öffnete den Mund zu einem zahnlosen Lachen, dann stimmten auch die anderen ein.  
    Jemand trug eine mit Wasser gefüllte Schale herbei, die sie sich durstig teilten, dann drängte man sie zum Feuer, nötigte sie auf ausgelegten Zweigen zum Sitzen und brachte ihnen zu essen. Das gebratene Tier ähnelte dem seltsamen Dachs, den Duncan vergeblich in den Bergen zu fangen versucht hatte. Das Fleisch war durchaus schmackhaft, wenn auch etwas zäh und hier und da fast roh. Wie lange hatte er kein Fleisch mehr gegessen? Es gab noch andere Gerichte: gegarte Wurzeln, eine Art Fladenbrot sowie ein paar große weiße Maden. Duncan konnte sich nicht überwinden, sie zu essen, von seinen Gastgebern wurden sie aber mit offensichtlichem Genuss verspeist.  
    »Nette Menschen«, schmatzte Samuel neben ihm mit vollem Mund und biss schon wieder in ein Stück Fleisch. »So freundlich hat mich

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